Analoge kompakte Sucher Kamera: Die Agfa Selectronic S Sensor
Wer gerne analog fotografiert, wird sicherlich mehrere Kameras sein eigen nennen können. Je nach Einsatzzweck bieten sich unterschiedliche Systeme bzw. Filmgrößen an. Hier stelle ich einmal meine recht kompakte Messsucherkamera vor: Die Agfa Selectronic S. Als „Immer-Dabei-Kamera“, die man stets in der Tasche dabei führen kann, hat sie mir schon so manch interessante Fotografie beschert. Ich hatte weiland sogar meine Abschlussarbeit im Fotografie-Studium mit ihr angefertigt.
Ich benötige manchmal eine kleine „Immer dabei Kamera“, die ihren Platz ohne zu stören in der Schultertasche finden- und die man so stets bei sich führen kann. Natürlich gibt es viele analoge Kameras, die sehr leicht und kompakt sind. Allein: Entweder ist deren optische Qualität eher mittelmäßig, sie besitzen keinen Mess-Sucher zum Fokussieren oder sie haben nur eine Vollautomatik oder eine Blendenautomatik. Als anspruchsvoller Fotograf möchte ich jedoch eine größere Kontrolle über das Bild haben (Schärfentiefe, Belichtungskorrektur). Die Sache, dass man sich sozusagen einen Schärfebereich legen kann, ist ja auch für die (spontane) Street Photography relevant. Hier kommt die analoge Agfa Selectronic S Sensor als durchaus kompakte analoge Kamera ins Spiel. Sie scheint derzeit völlig unterbewertet bzw. recht unbekannt in entsprechenden Fotokreisen / Fotoforen zu sein (Stand: 2017).
Auf diesem Foto sehen Sie die Gute. Bei dieser analogen Agfa-Kamera handelt es sich um eine der ganz wenigen Messucher-Kompaktkameras mit Zeitautomatik: Man wählt die Blende vor und die Elektronik ermittelt dann die passende Zeit. Ganz einfach. Rein manuell kann sie allerdings nicht bedient werden. Jedoch kann man die (gemessene) Belichtungszeit noch etwas mit dem ASA-Einstellknopf verändern, was ich – der Belichtungskorrektur wegen – durchaus öfters tue (hierzu gleich mehr). Die Kamera ist sicherlich nur über Ebay beziehbar oder man findet sie mit Glück auf einer Fotobörse. Dabei sollte man sie nicht mit den Agfa-Selectronic-Modellen verwechseln, die keinen Messsucher (ohne „S“ bzw. ohne Mischbildentfernungsmesser) besitzen und / oder kein Solinar-Objektiv (sondern das einfachere „Apotar“).
Die Gebrauchtpreise sind derzeit so günstig, dass man hier gleich zum damaligen „Topmodell“ greifen kann. Dummerweise sorgen Artikel wie dieser dafür, dass ggf. die Gebrauchtpreise bestimmter analoger Kameras ansteigen. Zur Orientierung: Als dieser Blogbeitrag veröffentlicht wurde, lagen als funktionierend deklarierte Agfa Selectronic S Sensor Kameras (Solinar-Objektiv und Messsucher) bei ca. 35 €. Mittlerweile sind hier die Preise jedoch angezogen, wie es auch bei vielen anderen Analogkameras der Fall ist. Mir wäre ein tatsächlich funktionierendes Modell ca. 90 Euro wert. Kann der Verkäufer dafür garantieren, dass auch alles funktioniert (bis auf den Selbstauslöser), kann es durchaus auch etwas mehr sein. Die kritische Stelle ist hierbei ein „verharzter“ Transportmechanismus (eingerissene Perforation bzw. Rücktransport nicht möglich), dazu ganz unten mehr.
Unterschied zwischen den Modellen
Der Unterschied beider Typen noch einmal etwas klarer dargestellt:
- Agfa Selectronic S Sensor
Version mit dem Vierlinser „Solinar“ und mit Mess-Sucher zum exakten Fokussieren.
Das Solinar dürfte dem berühmten Zeiss Tessar entsprechen. - Agfa Selectronic Sensor
Version mit Dreilinser „Apotar“ und ohne Mess-Sucher
In meiner Praxis hatte ich übrigens immer recht abgeblendet fotografiert und zum Fokussieren das Prinzip „Zonenfokus“ genutzt, was bei Landschaften ohnehin sinnvoll ist. Dementsprechend würde mir vermutlich das einfachere Modell mit Dreilinser sogar reichen.
Bei dieser Fotografie nutzte ich die Skala am Objektiv zum Scharfstellen: Ich wählte dann eine höhere Blende vor, fokussierte ca. auf die Büsche im vorderen Hintergrund und erhielt somit eine Schärfe vom Vordergrund bis zur Ferne. So etwas kann man mit den meisten kompakten Kameras nicht machen, da die meisten die Blende selbst einstellen wollen („Blendenautomatik“) und daher schätze ich die Agfa Selectronic S Sensor so sehr, denn sie besitzt eine simple „Zeitautomatik“ (Blende vorwählen → die Belichtungszeit wird automatisch ermittelt).
Scharf stellen
Mit dieser kleinen analogen Sucherkamera ist es durchaus möglich auch die Schärfentiefe zu bestimmen. Dies ist mir wichtig, denn ich fotografiere viel Landschaften und da benötige ich oftmals eine hohe Schärfentiefe. Doch auch in der sogenannten Street Fotografie spielt dies eine Rolle: Hier legt man sich die Schärfentiefe fest (z. B. von 2 Meter bis 8 Meter) und schießt aus dem Handgelenk heraus. Denn man hat bei spontanen Streets für den Decisive Moment (H. Cartier-Bresson) freilich keine Zeit, zunächst per Auge zu fokussieren.
Natürlich kann man mit der Agfa-Selectronic S Sensor auch punktuell scharf stellen! Man fokussiert hier anhand des integrierten Messsuchers. Auf dem obigen Bild sehen Sie eine grafische Simulation, wie so etwas bei meiner Immer dabei Kamera funktioniert: Zwei Doppelbilder müssen sich exakt überlappen, dann stimmt der Fokus. Weiterhin befindet sich im Sucher ein Zeiger, der die derzeitig gemessene bzw. genutzte Belichtungszeit anzeigt sowie die eingestellte Blende.
Bei der Grafik hat sich leider ein Fehler eingeschlichen: Tatsächlich verschiebt sich das Bild natürlich nur innerhalb des grünen Punktes (und nicht alles), wenn nicht exakt scharf eingestellt ist.
Hier sehen Sie die Oberseite dieser Kamera und ein Handabzug, welcher von einem Negativ der Kamera gemacht worden ist. Charakteristisch für das alte Agfa-Design ist der rote Punkt bzw. Knopf. Damit ist ein recht „sanftes“ Auslösen möglich, um auch bei eher langen Zeiten nicht zu verwackeln – so zumindest die Lesart des Herstellers.
Mir waren die auf dem Objektiv angegebenen Werte für das Scharfstellen nach dem „Zonenfokus“ (Schärfentiefe einstellen) nicht „konservativ“ genug und ich überklebte diese mit eigenen Werten aus einem Schärfentiefe-Rechner. Bei Landschaftsaufnahmen nutze ich den Messsucher sehr selten. Ich blende einfach auf 11 ab, stelle das Objektiv auf 5 Meter und dann ist alles von ca. 2,5 Meter bis Unendlich scharf, fertig. Die Original-Angaben sind da noch großzügiger. Das funktioniert bei 9×12-Abzügen durchaus. Vergrößert man die Negative jedoch auf z. B. 30×40 cm wird man dann Unschärfen im Vorder- bzw. Hintergrund feststellen. Ich hatte sogar einmal ein Fotografiestudium absolviert. Meine gesamte Abschlussarbeit hatte ich allein mit der kleinen Agfa gemacht. Es muss freilich keine Leica oder eine große Mittelformat-Spiegelreflexkamera sein.
Zwei Beispielbilder. Das Schöne an solch einer kleinen Kamera: Man hat sie immer dabei. Es muss für solche Motive nicht unbedingt eine (schwere und große) Spiegelreflexkamera sein.
Das Objektiv
Das Objektiv dieser kompakten analogen Kamera ist ein vierlinsiges und natürlich vergütetes „Solinar“ nach dem berühmten Tessar-Prinzip mit der Brennweite von 45 mm und einer Lichtstärke von 1:2.8. Viele Modelle der Agfa Selectronic wurden seinerzeit auch mit dem einfacheren „Apotar“ ausgeliefert. Diese sind gebraucht günstiger. Falls möglich sollte man zu der Version mit dem scharfen Solinar greifen. Zudem besitzen die Versionen mit dem einfacheren Apotar-Objektiv offenbar gar keinen Messsucher:
Aufnahme mit dem Solinar-Objektiv bei recht kurzem Abstand zum Porträtierten: Ohne präzisem Messsucher wäre diese Aufnahme nur mit Glück gelungen (Entfernung schätzen). Meine Agfa Selectronic ist korrekt justiert. Das vergütete Solinar ist im Kleinbild auch bei geöffneter Blende zumindest im Zentrum sehr scharf. Die Aufnahme gelang ganz schnell aus dem Stegreif. Bei dem Porträt stimmt für mich alles (nur ärgere ich mich, dass der hintere Baum direkt „aus dem Kopf wächst“, aber das hatte ich in der Eile der fixen Aufnahme übersehen). Die Ränder bei dieser Fotografie hatte ich später etwas nachbelichtet (→ Ränder nachbelichten).
elektronische Belichtungssteuerung
Die Belichtung erfolgt elektronisch. Daher sind zwei Batterien nötig. Hierbei handelt es sich jedoch um die berüchtigten Quecksilber-Knopfbatterien (je 1,35 Volt), die es heute nicht mehr frei zu kaufen gibt. Aber: Ich nutze einfach zwei normale 1,5 V Batterien und das funktioniert genau so gut.
Ich nutze einfach Alkaline-Batterien in der Größe PX625A von Varta. Sie besitzen eine Spannung von 1,5 Volt und man kann sie neu problemlos erwerben. Ich habe mit diesen Batterien keine Probleme festgestellt, was die Belichtungsmessung anbelangt.
Es gibt jedoch auch Ersatz-Zellen der Marke »WeinCell«. Solche Batterien liefern kontinuierlich die 1,35 Volt. Vermutlich handelt es sich bei den vielerorts angebotenen Hörgeräte-Batterien jedoch um das Gleiche. Aber hier fehlt mir das Hintergrundwissen.
Die Belichtungszeiten werden – je nach Lichtverhältnis – elektronisch von 1/500 Sekunde bis hin zu ca. 20 Sekunden gesteuert. Somit kann man mit dieser Kamera auch Nachtaufnahmen anfertigen. Denn die Agfa Selectronic besitzt zum einen ein Stativanschluss und zudem einen Anschluss für einen Drahtauslöser. Sie ist also weit mehr als eine kleine Knipse!
Für dieses recht imposante Beispielbild mit Gegenlicht richtete ich die Kamera zunächst auf den Boden und las die angezeigte Belichtungszeit ab. Nachdem ich sie wieder in die ursprüngliche Position brachte, zeigte sie mir plötzlich eine viel kürzere Belichtungszeit an. Mittels dem ISO-Regler regelte ich diese wieder auf den zuvor gemessenen Wert herunter und nur so gelingt solch eine Fotografie mit alle den vielen Schattierungen, wenn man keine anderen manuellen Eingriffe vornehmen kann. Der Himmel wurde später übrigens im eigenen Labor nachbelichtet, daher ist er so dominant abgebildet. Mit solch einer einfachen und kleinen Sucherkamera gelingen also durchaus auch anspruchsvollere Fotografien.
Ähnlich verhielt es sich beim nächsten Motiv:
Bei dieser Aufnahme musste ich die Kamera etwas überlisten: Das Gegenlicht des hellen Fensters hätte die Kamera zu einer zu kurzen automatische Belichtungszeit „überredet“. Das Bild wäre unterbelichtet, die Person nur als Silhouette abgebildet. Ich drehte den ISO-Regler also um zwei volle Werte runter (von eigentlch 100 ASA auf 25) und erhielt durch diese Belichtungskorrektur ein Foto, bei welchem auch die Schatten gut durchgezeichnet sind. Das Fenster „überstrahlt“ dann natürlich, was dem Motiv jedoch nicht abträglich ist. Ich weiß es noch: Ich setzte die Agfa auf die Lehne eines Sessels und löste aus: Denn sie belichtete dann in diesem Raum recht lang. Durch das Absetzen verwackelte nichts. Vorher stellte ich mittels dem Messsucher einfach auf die Nasenspitze scharf.
Hinweis: Die Agfa Selectronic S Sensor besitzt im Bildfenster (gemeint ist der innere Bereich, wo der „Frame“ des Negativfilmes aufliegt) rechts und links kleine Kerben (wie bei den Hasselblad-Kameras). Vergrößert man ein Foto mit schwarzem Rand (wie das obige) würden diese Kerben mit abgebildet sein. So etwas stört mich und ich hatte diese „Einschnitte“ mit ganz dünnem Klebeband abgedeckt.
Bei diesem Foto sieht man sehr schön besagte Kerben: Sie sind im Negativ (oder im nicht beschnittenen Positiv) einmal links und gleich dreimal rechts zu sehen. Was sich die Konstrukteure dieser Kamera wohl dabei gedacht hatten?
Sonstige Besonderheiten
Ich besitze zudem noch einen passenden Gelbfilter und eine Sonnenblende. Diese Gegenlichtblende ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, da die Frontlinse des Objektives ein gutes Stück „versenkt“ eingelassen ist: Das Objektiv besitzt also sozusagen eine eingebaute Sonnenblende. Der Fotoapparat kommt normalerweise auch in einer schönen Kameratasche, die gleichfalls kompakt ist. Die Agfa Selectronic S Sensor besitzt kein Filtergewinde: Es müssen Steckfilter (32 mm) verwendet werden. Auf dem Bild sehen Sie auch noch ein selbst entwickeltes Bild bzw. ein Foto mit dieser Agfa Sucherkamera gemacht. Die optische Qualität ist, etwas abgeblendet, genau so gut wie bei einer größeren und schwereren Spiegelreflexkamera mit hochwertigem Objektiv.
Hier sehen Sie einmal die Rückseite dieser kompakten analogen Immerdabei-Kamera. Der Kleinbildfilm wird einfach in die rechte Vertiefung gelegt und dessen Lasche in einen Schlitz links eingesteckt. Unter dieser Abdeckung (die man hoch klappen kann) sitzen eine Walze und Zahnräder, die den Film sicher transportieren. Was man auf dem Foto nicht sehen kann: Neben dem Objektiv bzw. neben dessen Rücklinse sitzen vier blanke Schrauben. Diese hatte ich mit winzigen Schnipseln aus mattem schwarzem Papier überklebt, damit es im Innern der Kamera nicht zu ungewollten Lichtreflexionen kommt.
Der Spannhebel, das ist das Besondere an dieser kleinen analogen Kamera, sitzt unterhalb des Gehäuses. Diese Konstruktion wurde wohl so zugunsten der geringen Maße arrangiert. Auch das Bildzählwerk befindet sich am Boden der Agfa Selectronic S Sensor. Es gibt keine Kurbel zum zurückspulen des Films: Stattdessen muss nach der letzten Belichtung ein Hebel umgelegt werden. Dann dient nämlich der Spannhebel zum Zurückspulen.
Weiterhin besitzt die Kamera eine Testfunktion für die Batterien und einen Selbstauslöser. Bei wirklich allen meiner bisherigen Agfa-Selectronic-Kameras war jener Vorlauf allerdings defekt bzw. zeigte keine Wirkung. Schade, denn solch ein Selbstauslöser ersetzt auch einen Drahtauslöser.
Natürlich lässt sich auch ein Blitz anschließen / aufstecken, und zwar mittels „Hot Shoe“. Hierbei wird ein kleiner Schalter betätigt, der die Belichtungszeit fest auf den Wert 1/60 Sekunde einstellt (beim Blitzen mit der analogen Kamera ist die Belichtungszeit für das angeblitzte Motiv nicht relevant, sondern nur die Blende). Erweiterte „Blitz-Techniken“ wie das Steuern der Helligkeit des Umgebungslichtes (durch eine länger / kürzere Blitzsynchronzeit) sind mit dieser Kompaktkamera jedoch leider nicht möglich.
Hier steckte ich einfach einen Blitz-Funkauslöser oben auf den „Hot Shoe“ der kleinen Selectronic. Das Blitzgerät lag rechts auf einem Fensterbrett: Ganz einfaches entfesseltes Blitzen. Nebenbei: Ich hatte auch einen ganzen Artikel über das Blitzen mit analogen Kameras geschrieben. Bisweilen sind mit Kunstlicht wirklich interessante Projekte realisierbar.
Vielleicht fragen Sie sich auch, was das für zwei runde Fensterchen auf der linken Seite der Kamerafront sind: Das eine ist der Belichtungsmesser. Man sollte darauf achten, dass man hier beim Auslösen nicht aus Versehen den Finger darüber hält. Und hinter dem anderen Fenster sitzt ein Lämplein, welches ständig leuchtet, wenn ausgelöst wird. Da diese Agfa-Kamera auch Langzeitaufnahmen beherrscht, kann diese Lampe dementsprechend lange leuchten. Mich hatte dies gestört und ich deaktivierte sie (versierte Bastler können die Kopfplatte der Kamera leicht abnehmen).
Agfa Selectronic S Sensor Solinar 1:2,8/45 analog | Agfa Selectronic Sensor S - working - tested | AGFA Selectronic S Sensor Messsucherkamera - defekt - SNr: XI 5255 BE | AGFA SELECTRONIC 1 mit AGFA COLOR 1,9 50 mm m | AGFA Selectronic S Sensor Messsucherkamera - Bastlergerät - SNr: XI2809BE | Agfa Sensor Selectronic & Agfa Color Apotar Objektiv 42mm 1:2,8 | Original Agfa Color Selectronic Sensor Analog Kamera Apotar 1:2,8/45 Paratronic |
€ 59,99 | € 100,00 | € 29,00 | € 45,67 | € 59,00 | € 49,99 | € 60,00 |
Festpreis bei Ebay | Festpreis bei Ebay | Festpreis bei Ebay | Festpreis bei Ebay | Festpreis bei Ebay | Festpreis bei Ebay | Festpreis bei Ebay |
Bedienungsanleitung
Eine Bedienungsanleitung findet sich über archive.org als PDF-Datei.
Bildbeispiele
Wie gesagt: Die Selectronic S ist eine sehr zu empfehlene kompakte analoge Immerdabei-Kamera für höhere Ansprüche. Ihr Objektiv (das Solinar) ist von sehr guter Qualität. Die Belichtungsmessung ist in Ordnung, jedoch technisch recht simpel. Ich messe zur Belichtungsmessung oft den Boden an und nutze die ISO-Einstellung als Belichtungskorrektur. Daher hatte ich den ASA-Kalibrierknopf etwas modifiziert, damit ich ihn besser (ohne Münzstück) bedienen kann. In diesem Artikel erkläre ich genauer, wie man mit so einer analogen Kamera „richtig“ belichtet. Anhand von doch durchaus qualitativ hochwertigen Bildbeispielen sehen Sie, dass diese doch recht wenig populäre Kamera ein kleiner Schatz ist, den ich – ob der kompakten Maße – öfter mal einfach nur so in der Tasche bei mir führen kann:
Die Beispielbilder lassen sich per Mausklick noch vergrößern. Es handelt sich um Scans von eigenen Handabzügen aus dem S/W-Labor mit entsprechenden Bearbeitungen (Nachbelichten / Abwedeln, Gradationssplit). Das letzte Beispielfoto hatte ich auch in diesem Artikel verwendet, wo es um einen Qualitätsvergleich Scan↔Print ging. Dort können Sie es sich auch in einer sehr hohen Auflösung herunter laden.
Alle Bilder sind auf Agfa APX 100 entstanden (siehe auch Agfaphoto APX 100) und wurden entweder in Kodak Xtol oder D76 entwickelt (1+1-Einmalansatz). Wie man anhand der Bilder sieht, muss es freilich keine Leica sein, um qualitativ hochwertige Fotografien anfertigen zu können (wenn noch einmal das Prinzip Kleinbild-Messsucherkamera angesprochen werden soll). Das Solinar der Selectronic bildet ebenfalls sehr scharf ab.
Von meinen Bildern mit dieser Kamera hatte ich auch sehr hochwertige Barytabzüge auf Fotopapier im eigenen Labor (bzw. im Badezimmer) angefertigt.
Ich habe auch einige Fotos auf Farbfilm aufgenommen:
Öffnet man die Vorschaubilder, sieht man sehr gut, welche Qualität mit dem Objektiv der Agfa Selectronic S Sensor (das Solinar) möglich ist: Etwas abgeblendet ist es knackscharf und kontrastreich (auch in den Ecken) bzw. muss sich nicht vor anderen verstecken. Fotografiert wurde hier auf einem Fuji C200 Film. Diese Negative hatte ich mit der Digitalkamera abfotografiert und im Anschluss mit Negmaster umgewandelt. Die Kamera ist kein Spielzeug: Damit lassen sich durchaus „ernst gemeinte“ Ausstellungsansichten anfertigen. Sie ersetzt mir oft die größere und schwerere Spiegelreflexkamera auf Ausflügen und Reisen.
Hier noch ein Detailausschnitt:
Die Auflösung eines Farbfilm mit 200 ASA (Fuji C200) ist genügend hoch, um auch größere Drucke anfertigen zu können. Das Solinar zeichnet scharf und kontrastreich.
Hatte ich oben etwas von „Street“ geschrieben, ist diese kleine analoge „immer dabei“ Kamera natürlich auch geeignet, sie auf Ausflügen ins Grüne mitzunehmen. Dies ist dann eher mein Sujet, siehe Beispielbilder. Einen größeren Fotoapparat habe ich da selten spontan zur Hand.
So schaut die Kamera aus, wenn die Bodenplatte abgeschraubt ist: reine Mechanik.
Die Agfa-Kamera taucht manchmal bei Ebay auf. Bei vielen Modellen ist das „Getriebe“ zum Bildtransport verharzt, was sich aber relativ einfach durch Öffnen der Bodenplatte bzw. durch ein etwas rabiateres Bewegen der Mechanik darunter beheben lässt. Ein typisches Indiz hierfür: die Filmführungsritzel reißen die Perforation ein, nachdem sie sich nicht mehr bewegen möchten. Dieser Fehler lässt sich nicht ohne Film feststellen bzw. kann daher auch bei als tadellos verkauften Modellen vorhanden sein.
Weiterhin sollte man eher nicht die einfachere Version mit dem „Apotar“ als Objektiv und ohne Messsucher wählen, solange die Versionen mit dem Solinar noch recht günstig (s. o.) erhältlich sind. Einen älteren deutschsprachigen Artikel über diese Kamera findet sich an dieser Stelle der Datenautobahn – da nicht mehr online über archive.org abrufbar.
Alternativen
Es scheint tatsächlich nur sehr wenige eher günstige kompakte spiegellose analoge Kameras zu geben, welche die Voraussetzungen erfüllen:
- a) Messsucher (zum Scharfstellen nach Auge und nicht zum Schätzen)
- b) modernes, vergütetes Objektiv (min. Vierlinser)
- c) gekoppelter interner Belichtungsmesser
- d) Zeitautomatik (Blende vorwählen, Belichtungszeit automatisch)
Das Ganze soll natürlich handflächenklein sein und kein klobiger Apparat.
Bei diesem Motiv (Kodak Gold) brauchte ich einen Messsucher zum Scharfstellen. Schätzen ging hier nicht.
Die Minox 35 ist zwar so schön klein und leicht. Auch das Objektiv ist spitze. Leider muss man hier die Entfernung schätzen bzw. kann hier (wie bei der Rollei 35) nicht nach Sicht fokussieren.
Als Messsucher-Alternative ist mir hierbei lediglich bekannt die Voigtländer VF 101 – und diese leider auch nur via Datenblatt. Doch diese Kamera scheint, rein technisch, mit der hier vorgestellten Agfa Selectronic mit zu ziehen. Zudem ist sie derzeit via Ebay eher günstiger zu erwerben als die Agfa mit ihrem Solinar. Für mich käme auch die berühmte Rollei 35 in Frage. Sie hat aber keinen Messsucher. Man muss die Entfernung schätzen. Daher ist sie für mich nur für Landschaftsfotografien relevant, nicht aber für Nahaufnahmen (Porträts), bei denen bei eher offener Blende genau fokussiert werden muss. Und natürlich wäre in diesem Zusammenhang die Olympus XA zu nennen (die erste Version – tatsächlich nur die erste Version ohne zusätzliche Zahl im Namen). Sie ist noch kompakter, weil sie flacher ist. Allerdings scheint mir deren Objektiv leicht zu vignettieren und ich weiß nicht, ob es generell die hohe Leistung des Solinars erreicht (was Detailvergrößerungen und Eckenschärfe anbelangt).
„Man sollte darauf achten, dass man hier beim Auslösen nicht aus Versehen den Finger darüber hält.“
In einer Gegenlichtsituation kann man allerdings auch bewusst den Finger ein Stück vor das Fenster halten und die Kamera so „manuell“ auf eine längere Belichtungszeit herunterregeln, weil die Kamera dann denkt, es sei insgesamt dunkler. Mit der Anzeige im Sucher kann man das dann auch ganz gut kontrollieren.
Das erspart es einem für einzelne Aufnahmen am ISO-Rädchen drehen zu müssen.
Super Tipp! Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Man könnte auch für solche Situationen Folie oder die Sonnenbrille vor den Sensor halten.