Das selbst entwickelte Foto: Ein Handabzug statt Druck oder Bildschirmfoto
Wenn man heute von Fotografien redet, dann meint man hierbei zwei Varianten: Zunächst sind da natürlich die vielen Bildschirmbilder, die man sich primär im Internet ansieht. Zum anderen sind da die Drucke, die freilich durch die Printmedien veröffentlicht werden. Das Gros der Fotografien in Ausstellungen sind ebenfalls simple Drucke oder werden wenigstens maschinell auf Fotopapier ausbelichtet. Es geht jedoch auch anders: Mit dem Silbergelatine-Print erhält man ein Unikat.
Denn was man heute leider nur noch selten zu sehen bekommt, sind Originale: (S/W-) Fotografien in Handarbeit auf echtem Silbergelatinepapier, sogenannte Silbergelatine-Prints bzw. Handabzüge. Sie basieren alle auf ein fotografisches Negativ, welches man mittels einem sogenannten Vergrößerer in der eigenen, kleinen Dunkelkammer auf ein zunächst noch weißes aber lichtempfindliches Fotopapier projiziert: Man vergrößert.
Erst nachdem man dieses belichtete Fotopapier in ein Chemiebad (dem Entwickler) gegeben hat, erscheint dann langsam das Bild. Dieses wird am Ende gewässert und getrocknet.
Später erhält man dann solche „Schätze“:
mehrere Fotografien auf echtem Silbergelatine Barytpapier
Kurzinfo: Ein Silbergelatine Print ist eine Fotografie, welche durch Belichtung eines fotografischen Negativs auf ein zunächst lichtempfindliches Fotopapier in der Dunkelkammer entstanden ist. Durch eine chemische Prozedur ergibt sich das eigentliche Bild.
Bei einem Handabzug wird zunächst ein lichtempfindliches Fotopapier belichtet und durchwandert dann drei Chemie-Bäder. Wie man so etwas selber macht, kann in dieser ausführlichen Anleitung im Detail nachgelesen werden.
Bei Fotografien von Originalen zu reden ist zunächst jedoch ein gewagtes Unterfangen: Bei einem Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit (Walter Benjamin) denkt man natürlich in erster Linie an die Fotografie. Bereits seit dem Negativ-Positiv-Verfahren von William Henry Fox Talbot (seit ca. dem Jahr 1860) ist es möglich, nahezu exakt gleiche Positiv-Kopien eines fotografischen Negativs anzufertigen – Also gleichfalls so, wie heute das selbe Bild beliebig oft gedruckt werden kann.
Einer der ersten Medienphilosophen der klassischen Moderne, Walter Benjamin, sprach einer solchen Fotografie ihren Originalcharakter ab, wenn man diese z. B. mit einem Gemälde vergleicht. Das Foto besäße keine Aura.
Aus heutiger Warte jedoch ergibt sich bezüglich eines solchen echten „Vintage Prints“ aus dem (eigenen) Fotolabor eine ganz andere Sicht auf eine Fotografie, wenn man bedenkt, wie profane Drucke eines Bildes maschinell nur so ausgespuckt werden können: Jeder Druck gleicht dem anderen.
Silbergelatineabzüge, die im eigenen kleinen Fotolabor in Handarbeit entstanden sind, können so nicht wieder exakt gleich reproduziert werden: Jedes Foto ist ein Original.
Mit diesem Starter-Kit für die S/W-Papierentwicklung erhalten Sie die wichtigsten Utensilien, die Sie benötigen, um in der eigenen kleinen Dunkelkammer selber Fotopapier entwickeln zu können. Falls man keinen Vergrößerer hat, kann man zunächst Kontaktkopien von Negativen oder Fotogramme anfertigen.
Nebenbei: So schaut ein billiger Druck auf einfachem Fotopapier nach einigen Monaten Lichteinfluss aus: Das Foto ist verblasst, das S/W-Bild hat einen Farbstich bekommen. Natürlich gibt es auch viel hochwertigere Tinten und gutes Druckpapier. Ein echter Silbergelatine-Print auf Barytpapier (nach einer Selentoner-Behandlung auch PE-Papier) wird so viele, viele Jahre unbeschadet im hellen Raum seine ursprüngliche Wirkung beibehalten. Er ist (nach ordentlicher Wässerung) archivfest.
Insbesondere jedoch bei Handabzügen, die während des Vergrößerns (vom Negativ) gewisse Bildbearbeitungen erfahren (Abwedeln, Nachbelichten, Gradationssplit, Bleichen, Verstärken, Tonen) kann keinesfalls mehr von einer reinen Kopie geredet werden: Jeder einzelne Abzug besitzt die besagte benjaminsche Aura – und sei es auch nur wegen eines winzigen einbelichteten Fussels. Jeder Silbergelatineprint ist ein Unikat, eine Handarbeit auf einem Gebiet, innerhalb welchem dem Fotografen immer mehr das eigentliche handwerkliche Geschick durch Elektronik abgenommen wird.
Das Wissen, um qualitativ hochwertige Silbergelatineabzüge anfertigen zu können, geht jedoch offenbar immer mehr verloren. Das Gros der Fotografen weiß sicherlich gar nicht mehr, was ein solcher „Vintage Print“ ist und begnügt sich mit simplen Drucken aus dem Tintenstrahldrucker. Auch bei Kuratoren ist dies zu beobachten. Statt Originale werden neue und digital bearbeitete Drucke in Museen ausgestellt, leider. Die Fotografien von Sebastião Salgado sind hierfür nur ein Beispiel.
Bei (teils) aufwendig bearbeiteten Farbfotografien ist dies nachvollziehbar und auch der Autor verzichtet bei der Farbfotografie auf den Handabzug. Bei echten S/W-Fotos vom fotografischen Negativ ist es schade, dass größtenteils nunmehr bloße Drucke ohne Originalcharakter in den Galerien hängen.
Ein Freund von mir fertigt gerne seine eigenen Postkarten an, setzt seinen Stempel darauf und verschickt diese.
Dabei wird sogenanntes Silbergelatinepapier weiterhin produziert – z. B. von Firmen wie Adox (Deutschland), Foma (Tschechien) und natürlich vom Marktführer Ilford (Großbritannien). Ein solches „echtes“ Fotopapier birgt eine Spezialität, welches es vom „normalen“ erhältlichen Fotopapier unterscheidet: Es besitzt eine Schicht aus z. B. sogenanntem Silberbromid – Es reagiert auf Licht und kann daher ein Bild erzeugen, ganz ohne Drucker freilich. Traditionell wird mit einem sogenannten Vergrößerer auf diesem lichtempfindlichen Fotopapier in der Dunkelkammer ein Negativ projiziert, aus welchem im Anschluss durch eine Entwicklerchemie ein Positiv erzeugt wird: Der Silbergelatine-Abzug.
Dieser Prozess ist durchaus maschinell (mittels einer „Durchlaufmaschine“) realisierbar. Es geht jedoch auch per Hand im eigenen kleinen „Badezimmerlabor“ und daher spricht man in diesem Zusammenhang auch von einem Handabzug.
Nur bei diesem ist ein Eingreifen in die Negativinformationen realisierbar*: Es ist eine individuelle, analoge Bildbearbeitung möglich, welche jeden Abzug zum Original werden lässt. Mit einer solchen analogen Bildbearbeitung ist z. B. das Abhalten (Abschatten) des Horizontes während eines bestimmten Teils der Belichtung gemeint, um diesem mehr „Tiefe“ (Luftperspektive) zu geben oder man belichtet den Himmel nach (macht ihn dunkler).
* Man kann freilich auch das Negativ selbst retuschieren. So etwas wurde früher tatsächlich oft gemacht. Damals (vor 100 Jahren) nutzte man aber sehr, sehr große Negative auf denen dies mit einer Lupe auch gelang. Vertat man sich hierbei jedoch, war das Bild für immer verdorben.
Dieses klassische Fotopapier, welches man für einen Handabzug benötigt, gibt es in verschiedenen Sorten bei den Fotohändlern mit „analogem“ Sortiment zu kaufen. Hier kann man verschiedene Größen erwerben (bis hin zu Rollenware), verschiedene Papierstärken und Fotopapier verschiedener Oberflächen.
Grundsätzlich unterscheidet man heute zwischen Barytpapier (das „klassische“ Fotopapier) und PE-Papier (leichter zu verarbeitendes Kunststoffpapier). Der Autor verwendet kartonstarkes Barytpapier mit einer semimatten Oberfläche. Dieses lässt die Fotografien besonders edel erscheinen. Weiterhin besitzen heute die meisten Silbergelatine-Fotopapiere den Vorteil, dass man bei ihnen während der Belichtung den Kontrast fein steuern kann („Multigrade“). Es gibt jedoch auch Papiere, bei denen dies nicht möglich ist („Festgradation“).
Ein analoger Barytabzug auf Basis eines 6×6-Negativs aus einer billigen Lomo-Kamera: Selbst derlei Vorlagen lassen sich in der Dunkelkammer mit der eigenen Handwerkskunst vereinbaren.
Auf der Rückseite solcher Papiere kann man dann auch einen eigenen Stempel setzen bzw. die Fotos signieren.
Das Buch Analog Fotografieren und Entwickeln - die Eigene Dunkelkammer ist eines der wenigen modernen Fachbücher, die sich noch der analogen Bildverarbeitung widmen (derzeit in der 4. aktuellen Auflage). Demzufolge werden hier auch die heute erhältlichen Filme, Papiere und aktuelle Chemie besprochen. Wer sich nicht durch die vielen einzelnen und verstreuten Artikel im Internet durchwühlen möchte, findet hier das gesamte Standard-Wissen für einen gut gemachten Handabzug vor, und zwar aus zeitgenössischer Sicht. Auch dieses Buch kann man auf Amazon virtuell durchblättern.
Sie wollen Selbst Handabzüge anfertigen? Dann Lesen Sie die ausführliche Anleitung → S/W-Bilder selber entwickeln – Negative vergrößern.
Was den Preis anbelangt: Das Drucken einer Fotografie auf einem von der Haptik einem guten („analogen“) Fotopapier ähnlichen Papier bei einem Dienstleister ist nicht günstiger als das Ausbelichten auf Silbergelatinepapier im eigenen Labor. So kostet ein Druck im Format A3 beim Dienstleister ca. 10 Euro (Sihl Masterclass). Ein S/W-Fotopapier im Format 30×40 cm kostet jedoch lediglich ca. 1,70 Euro (Fomabrom Multigrade Barytpapier; Stand 2016). Zu beachten ist jedoch, dass man für eine gut ausgearbeiteten analoge Fotografie mindestens noch ein weiteres Fotopapier gleicher Größe für die Probestreifen (Teststreifen) benötigt sowie freilich die Fotochemie, welche man allerdings viele Male weiter verwenden kann. Weiterhin ist Zeit bekanntlich auch Geld.
Bei einem eventuellen Verkauf einer Fotografie wird ein solcher Handabzug (oder gar „Vintage Print“) natürlich einen wesentlich höheren Gewinn erzielen als ein profaner Druck aus dem Tintenstrahldrucker. Nur aufgrund dieses Materials sind die Erlöse auf Versteigerungen von Fotokünstlern wie z. B. August Sander, Albert Renger-Patzsch oder Karl Blossfeld so enorm hoch: Es sind Originalabzüge, keine Drucke. Das selber Anfertigen von einem solchen Abzug ist aber auch recht aufwendig, dies sei nicht verschwiegen.
Bezüglich dieses Themas habe ich mich in der Vergangenheit einmal mit einem Insider unterhalten. Wenn man es als Fotograf überhaupt erst einmal in den Kunstmark geschafft hat, dann darf man sich schon glücklich schätzen. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn man einige Ausstellungen bestückt hat (Vorteilhafter Weise auch im Ausland) und selbstverständlich hat man Fotografie o.ä. studiert und man hat schon einen gewissen Namen. Bis dahin ist es aber ein sehr langer Weg und viele nehmen diese Hürde erst gar nicht.
Auf welchem Material ein Foto abgezogen wird, ist der Kundschaft so ziemlich egal, solche Dinge interessieren Foto-Kunstsammler nicht. Es kommt auf den Bildinhalt an. Was ziemlich hoch im Kurs steht sind die Unikate, sprich: Unbrauchbar gemachtes Negativ nach dem Vergrößern.
Davon leben kann nur ein verschwindend geringer Anteil der Fotografen, der Rest deckt gerade mal die Kosten oder erwirtschaftet einen Überschuss, der aber sehr überschaubar ist. Man darf auch gespannt sein, wie sich KI-Bilder im Markt behaupten aber das ist dann wieder ein ganz anderes Thema.
Gruß
Günter
Vielen Dank für den Kommentar. Ich denke, auch auf Bildinhalte wird es auf einem Kunstmark nicht so recht ankommen, sondern eher auf Namen, inwiefern sie gehandelt werden.