Noch besser wirkende Prints mit Selentoner
Zunächst denkt man bei Selen-Toner vielleicht an die Erhöhung der Archivfestigkeit der Abzüge. Doch mit diesem Toner können Sie ihren Bildern noch den letzten visuellen Schliff geben.
Für die meisten meiner „Prints“ nutze ich als letztes Bad einen sogenannten Selentoner. Hier gilt es gleich einen offenbar populären Irrtum aus den Weg zu räumen: Der Selentoner wird nicht etwa genutzt, um den Bildern einen bestimmten Warmton oder dergleichen bei zusteuern (zumindest nicht nach konventionellen Entwicklern). Im Gegenteil: übertreibt man es, erhalten die Bilder einen fiesen, eher kühlen Magentastich. Ich finde, das sieht nicht gut aus. Wozu dient diese Chemie nun?
Erhöhung der Archivfestigkkeit
Das bedeutet zunächst nichts weiter, dass Ihre korrekt gewässerten Barytabzüge nun vielleicht 200 statt 100 Jahre halten werden. Was hier chemisch genau passiert: Ich wollte es so konkret noch nie wissen und ich benutze den Toner nicht aus diesem Grund. Wahrscheinlich muss für die besagte Archivfestigkeit so lange getont werden, dass der eben schon erwähnte Magentastich viel zu deutlich zu Tage tritt. Bei manchen Papieren geht es auch in Richtung Rostbraun. Nein, viel interessanter ist nämlich folgender Punkt:
Ja, das hört sich doch gut an! Aber bedauern Sie nun nicht unbedingt gleich, dass Sie bisher noch nie ein solches Bad nutzten, denn: Der Effekt ist marginal, oft nur im direkten Vergleich zu sehen und oft nur in bestimmten Bildbereichen.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel zeigen:
Bildbeispiel: Vergleich mit und ohne Selentoner
Dies ist einer meiner Probeschnipsel, den ich aufgehoben hatte. Ich schnitt ihn in der Mitte durch. Die obere Hälfte bekam zusätzlich eine Selentonung, die untere Hälfte nicht. Können Sie den Unterschied sehen?
Gesamtansicht des getonten Motivs. Es lebt von satten Schwärzen und feinen Kontrasten und hier ist eine solche Tonung sinnvoll. Das Bild stammt aus einer kleinen Serie über im Winter in Sarkophage verhüllte Denkmäler.
Erhöhen der maximalen Dichte (Dmax) sowie verringern eines Farbstiches

Motive mit hohem Mikrokontrast, die von tiefem Schwarz leben, sind prädestiniert für eine anschließende Selentonung.
Mein Papier (Foma Fomabrom Variant) erzeugt in einem Warmtonentwickler einen leichten Grünstich. Dieser Stich verschwindet bereits beim Trocknen zum größten Teil. Den Rest bekommt man mit dem Selentoner weg.
Und nun kommt das Beste: Mit dem Toner können Sie evtl. den Grad der maximal erreichbaren Dichte (Schwärzung) – die sogenannte Dmax – Ihres Papieres erhöhen! Oder anders: sie bekommen Schwarz noch einen Tick schwärzer.
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Dies wird nicht mit jedem Papier funktionieren. Beim Fomabrom (in einem Warmtonentwickler) funktioniert dies aber gut. Noch auffallendere Ergebnisse hatte ich mit echtem Warmtonpapier (in einem Warmtonentwickler) erreichen können. Diese Kombination ergab von Natur aus ein verhältnismäßig schwaches Schwarz in den Schatten. Durch die Selentonung wurde hier der Dmax deutlich erhöht. Hier muss man dann nur aufpassen, dass man durch zu langes Tonen, den Warmton-Charakter nicht wieder zunichte macht. Ein Hinweis:
So werden Sie bei Motiven, die größtenteils aus homogenen, strukturlosen Bereichen bestehen, kaum eine visuelle Wirkung feststellen. Nicht umsonst hatte ich ein Bildbeispiel ausgesucht, welches eine markante Struktur besitzt. Hier wird sich ein leicht gesteigerter Schärfeeindruck einstellen, denn dadurch, dass das Schwarz nun noch etwas dunkler wird, die hellen Bereiche daneben aber so bleiben, wie sie sind, werden Kanten verstärkt: Die offensichtliche Schärfe steigt ganz leicht an.
Nicht übertreiben
Belässt man das Papier zu lange im Selentoner, erfolgt wieder ein Rückgang der Dmax. Warum ist dies so? Bei zu langer Tonung wird sich der Bildton (zumindest in den dunkleren Bereichen) leicht in Richtung Magenta verändern. Dies bedeutet nichts anderes, dass nun ein gewisser Teil rötlichen Lichtes reflektiert wird, wo vorher noch Dunkelheit vorherrschte. Das Schwarz wird wieder leicht an „Tiefe“ verlieren, die jeweilige Bildstelle würde nun wieder mehr Licht zu unserem Auge hin reflektieren.
Beurteilung des Unterschiedes im trockenen Zustand
Es ist hierbei auch anzumerken, dass der Unterschied zwischen einem getonten und einem ungetonten Bild im nassen Zustand bei vielen Papieren zumeist deutlicher zu Tage tritt. Will sagen: Im trockenen Zustand ist der Unterschied geringer, da zumindest Barytpapier auch beim Trocknen in den Schwärzen anzieht sowie auch einen evtl.(grünlichen) Farbstich verliert.
Das maximal darstellbare Schwarz noch verstärken
Wenn Sie Fotopapier mit der Oberfläche „Hochglanz“ verwenden, können Sie diesen Tipp ignorieren. Wenn Sie jedoch Papier mit semimatter Oberfläche (Lufttrocknung) oder ganz mattes Papier nutzen, können Sie das tatsächlich sichtbare Schwarz Ihrer Abzüge noch einen Ticken dunkler bekommen (bzw. die Brillanz erhöhen), wenn Sie das Fotopapier nach dem Trocknen ganz dünn mit Bienenwachs einreiben. Hierzu gibt es auf dieser Internetseite einen separaten Artikel.
Selentoner und Lithentwickler
Weiterhin nutze ich den Selentoner immer bei Verwendung eines „Lith-Entwicklers“:
Beim sogenannten Lithen bekommt das Papier einen – für meinen Geschmack oft viel zu quitschbunten – Farbstich.

Ein sogenannter „Lithprint“ auf altem OrWo-Papier: das Orange des Lithentwicklers („Easyith“) wurde in ein sattes Braun abgekühlt.
Gibt man den Print aber in einen Selentoner, so stehen die Chancen gut, dass man die Farbe zu einem gewissen Teil reduzieren kann. Sehen Sie sich nur einmal das Beispiel an. Das „Zirkusorange“ ist einem schönen dunkelbraunen Cremeton gewichen. Ferner konnte ich merklich den Grad des Maximalschwarz erhöhen (weil nun weniger [rotes“] Licht in den Schatten zum Auge hin reflektiert wird).
Ansatz
Ich nutze derzeit den Selentoner von Adox. Ich setze ihn 1+29 an und bade die Bilder für 1,5 bis 2 Minuten darin. Lässt man das Fomabrom länger im Selentoner, gibt es einen unschönen Magentastich. Für jedes Papier muss man seine Zeit eintesten. Am besten, man macht dies mit Probestreifen, die man in der Mitte auseinander schneidet. Nach dem Tonen werden die Prints sofort wieder gewässert. Diese Wässerung sollte genau so ausgiebig erfolgen wie nach dem Fixieren.
Die 1+29-Lösung hält sich übrigens ca. einen ganzen Monat. Nach einiger Zeit gibt es dunkelgraue Ausfällungen. Was das ist, weiß ich nicht. Der Toner arbeitet dennoch. Ich werde demnächst aber mit etwas fetter angesetztem Selentoner experimentieren, da ich an einer längeren Lagerung der Lösung interessiert bin.
Halten Sie die Nase bitte nicht direkt über den Toner: Diese Chemie riecht sehr ungesund.
Übrigens: Sie können auch versuchen, unterbelichtete (also zu dünne) Negative in unverdünntem Selentoner zu verstärken. Hierzu habe ich aber noch keine eigenen Tests unternommen (bzw. unternehmen müssen). Eine Verfärbung der S/W-Negative stellt hier ja keine Gefahr für das Endergebnis dar.
Ferner ließe sich Selen Toner evtl. als Prüfmittel bzw. Indikator für eine unzureichende Schlusswässerung von Papier nutzen: Das (weiße) Fotopapier bzw. der Rand darf sich in Kontakt mit einem Tröpfchen Konzentrat nicht verfärben, wenn es ausgewässert ist bzw. wenn sich kein Fixierer mehr im Papier befindet. Hierzu habe ich aber keine Tests unternommen, da ich zur Wässerungskontrolle etwas Kaliumpermanganat-Lösung nutze bzw. ohnehin eine ordentliche Schlusswässerung des Fotopapiers vornehme.
Hallo Frau Müller,
ich möchte an dieser Stelle eine andere Sichtweise auf das -wie ist ein Bild entstanden- einnehmen. Es ist gerade das -wie-, das einer Sache einen Wert geben kann und zudem einen Einfluss auf den weiteren Entwicklungsweg/Fortschritt eines schaffenden Menschen hat. Den analogen Verarbeitungsprozess kann man nicht aus dem Gesamtwerk herauslösen. Die Beschränkungen die die analoge Fotografie mit sich bringen haben auch einen großen Einfluss auf die Herangehensweise, schon vor dem Auslösen der Kamera. Dem geübten Fotografen ist bereits vor bzw. beim Auslösen der Kamera weitestgehend klar was machbar ist und was nicht. Wenn etwas nicht so geworden ist wie er/sie es sich gedacht hat, bedeutet dies, entweder mehr zu üben und auszuprobieren oder einen anderen Weg zu suchen. Beides wird den Schaffenden/die Schaffende voranbringen und entsprechende Bemühungen intensivieren, sehr wahrscheinlich sogar die fotografischen Ergebnisse verbessern oder erweitern. Auch die nicht 100 prozentige Wiederholbarkeit eines Abzugs von einem Negativ muss nicht notwendigerweise ein Nachteil sein. Für eine standardisierte Produktion mag dies wünschenswert sein, für einen Fotografen mit einigem Anspruch bedeutet dies lediglich ein neues Blatt Papier zu nehmen und einen erneuten Versuch zu starten. Die analoge Fotografie ist sicherlich etwas anachronistisch; zu lernen, sich zu bemühen, Freude am Schaffensprozess zu empfinden, ist es nicht! Sie vermuten hinter dem Etikett -Analogfotograf- einen Minderwertigkeitskomplex. Ein solcher Komplex ist jedem Menschen zu Eigen (!), Sie haben lediglich einen/Ihren Weg gefunden damit umzugehen.
Maik Gerdes