Der richtige Teststreifen: Achte auf Lichter und Schatten
Mit dem Probestreifen steht und fällt das „feine“ Bild im S/W-Fotolabor. Bei mir aber gibt es keine Teststreifen sondern „Probeschnipsel“ und ich gehe auch anders vor als es im Gros der Literatur beschrieben wird.
Das Dumme am Treppen-Probestreifen
Ich möchte mich an meine ersten Versuche in der Dunkelkammer erinnern. In den Büchern, die ich damals las, war immer vom additiven Probestreifen die Rede. Auch in einem Kurs später an der Uni galt es, Teststreifen in Form einer Belichtungstreppe anzufertigen. Hierzu wird ja ein Stückchen Karton über die Projektion gelegt und sukzessive weggezogen bzw. einen Streifen belichtet. Man erhält dann eine Belichtungsreihe, welche von links nach rechts immer heller bzw. dunkler wird.
Doch schauen Sie sich die Abbildung links an:
Es gilt, genau die Belichtungszeit zu ermitteln, bei welcher das tiefste darzustellende Schwarz (Dmax) des Papiers gerade so erreicht wird – denn es sollen ja hierbei keine Schatten „zulaufen“, es sollen keine Bildinformationen verloren gehen. Nur: dieses Schwarz befindet sich nur an einer einzigen Stelle im Bild, nämlich ziemlich genau im Zentrum. Hier werden wir mit der leider immer wieder gelehrten additiven Probestreifen-Methode nicht zu einem guten Ergebnis kommen.
Ich habe gerade dieses Motiv herausgesucht, weil die Sache hier wirklich offensichtlich ist. Doch betrachten Sie einmal Ihre Motive: Befindet sich über die gesamte Breite (auf die Sie ihren Probestreifen legen) wirklich immer eine Stelle, bei der das Maximalschwarz des Papiers erreicht werden muss? Bei meinen Motiven ist dies nahezu nie der Fall.
Meine Probeschnipsel lege ich immer auf die selbe Stelle, die zunächst ein dunkelstes Motivelement zeigt, idealerweise gleichzeitig ein hellstes. Probestreifen nach dem „Treppenprinzip“ sind zwar schnell gemacht. Sie sind jedoch meist sehr ungenau, was die Qualität der Auswertung anbelangt. Hier konkret am Beispiel: Das Gebüsch muss in den Schatten gerade so schwarz werden, darf dabei aber noch nicht zulaufen (Schattenzeichnung verlieren).
Ich möchte Ihnen meine Methode zeigen, bei welcher ich zu einem exzellenten Ergebnis komme.
Schatten, Lichter und die Probeschnipsel
Als erstes suche ich mir die beiden Extrempunkte im Negativ heraus: Das ist zum einen die Stelle, welche im Negativ am dünnsten ist – Das sind die Schatten und von denen kann es natürlich auch mehrere geben. Als zweites suche ich mir die Stelle heraus, bei welcher das Negativ am dichtesten ist und dies sind die Lichter. Von denen kann es natürlich auch mehrere im Negativ geben.
Die Mitteltöne ergeben sich ohnehin automatisch und sie werden immer im kopierbaren Bereich liegen. Schauen Sie sich das untere Bild an. Hier habe ich mir zwei der Extremstellen heraus gesucht und werde nun nur noch auf diese Probeschnipsel legen.
Hinweis: Die Schatten bei diesem Beispielbild sind – streng genommen – bereits „zugelaufen“. Sie sind aber bereits auf dem Negativ mit nur geringer Zeichnung abgebildet, da ich die Schatten bei diesem sehr hohen Motivkontrast zugunsten der Lichter etwas unterbelichten musste.
Schatten und Lichter mit dem Computer finden
Hinweis: Dieser Punkt ist optional.
Bei obigen Motiv ist es offensichtlich, wo die Schatten und Lichter liegen. Bei manchen Motiven ist es schwierig. Da ich alle meine Negative zunächst einscanne (ich erspare mir so die Kontaktbögen), ist es ein Leichtes, mittels dem Bildbearbeitungsprogramm Photoshop die Lichter und Schatten zu ermitteln. Es gibt tatsächlich Motive, da ist dies per Sicht nicht einfach. Man nutzte hierzu die „Tonwertkorrektur“. Hält man hierbei die ALT-Taste gedrückt und verschiebt entweder den linken oder den rechten Regler, so lässt sich sehr leicht herausfinden, wo die (extremsten) Schatten / Lichter im Motiv liegen. Und auf genau diese beiden Punkte konzentrieren wir uns nun!
Übrigens: Wer nur Kleinbildnegative nutzt, kann zum groben Digitalisieren für eine Vorschau ruhig so einen 40-Euro-Scanner hernehmen.
Gradation schätzen
Als erstes muss zunächst die Gradation geschätzt werden. Erst später in diesem Artikel werde ich sie ändern (oder auch nicht). Ich persönlich stelle mittels der Einfiltermethode die Gradation an meinem Color-Kopf ein. Man kann dies natürlich auch oder mittels der Zweifiltermethode tun oder man nutzt Filterfolien oder hat sogar einen echten Multigrade-Kopf. Bei Motiven mit normalem Kontrast Stelle ich immer Gradation 3 ein. Das Beispielmotiv oben hat einen hohen globalen Kontrast (dunkle Bereiche im Schatten / sehr helle Bereiche außerhalb des Waldes). Hier wähle ich zunächst besser gleich eine etwas weichere Gradation.
Wussten Sie, dass Sie mit einem einfachen Laborbelichtungsmesser auch die nötige Gradation bestimmen können?
Probeschnipsel auf die Schatten
Nun lege ich nacheinander kleine Probeschnipsel auf eine der Schatten-Stellen. Sie merken schon: Ich benötige hierzu sehr wenig Papier. Die Schnipsel müssen ja nicht gerade groß sein. Die Zeit, in welcher das Maximalschwarz in genau dieser Schattenstelle erreicht ist, ist meine Belichtungszeit. Es ist wichtig, dass man immer einen zu blassen Probeschnipsel hat und einen, bei dem die Schatten bereits „zugelaufen“ sind. Warum? Beim zu blassen Schnipsel können wir jegliche Detailzeichnung in den Schatten erkennen. Bei dem Schnipsel, bei welchem diese Zeichnung bereits „zugelaufen“ ist, ist aber erkenntlich, wie tief das Maximalschwarz (und dieses ist hier ja auf jeden Fall erreicht worden) überhaupt ist. Auf letzteres kann man verzichten, wenn man sich einfach ein kleines Stückchen Referenz-Maximalschwarz seines Papiers aufhebt.
Es gibt hierfür auch „Schieber“, damit man das Fotopapier für die Teststreifen (-Schnipsel) nicht in kleine Stücke schneiden muss. Ein solcher Helfer ist der „Testprinta S„.
Ich selbst lege mir aber einfach nacheinander markierte Schnipsel auf die Schatten-Stelle (die Grafik stammt aus meiner neueren Fotolabor-Anleitung für Anfänger).
Am Ende erhalte ich dann solche Ergebnisse:
Mehr Teststreifen als hier abgebildet brauchte ich für diesen Handabzug nicht. Die Schatten (Kragen oder Bäume) sind schwarz genug, besitzen jedoch noch genügend Zeichnung.
Statt Schatten suchen: den Negativrand nutzen?
Überlegung: Die Schatten sind die Stellen im Negativ, welche die geringste Deckung haben, sie sind nahezu transparent. Der Negativrand ist dies auch. Es stellt sich die Frage, ob man nicht einfach diesen zur Ermittlung der korrekten Belichtungszeit nutzen sollte (wenn man ihn mit auf das Grundbrett projiziert). Denn so könnte man tatsächlich mit einer Belichtungstreppe arbeiten, denn der Rand zieht sich ja entlang des ganzen Bildes.
Ich habe es ausprobiert. Es funktioniert nicht. Denn selbst die dunkelsten Schatten im Motiv besitzen einen gewissen Schleier. Der Negativrand ist also immer noch ein Stück transparenter als die dunkelsten Schatten im Motiv.
Die Belichtungszeiten für die Probeschnipsel
Lesen Sie sich bitte diesen wunderbaren Artikel durch: „Fotografen machen’s logarithmisch„.
Hier die Kurzfassung: Die Zeitunterschiede zwischen den einzelnen Belichtungen sollten je Probeschnipsel immer höher werden!
Ein schlechtes Beispiel: Ich habe 6 Probeschnipsel, fange bei 4 Sekunden an und erhöhe um jeweils eine Sekunde: 4 / 5 / 6 / 7 / 8 / 9. Der „4er Schnipsel“ und der „5er Schnipsel“ werden sich in der Helligkeit sicherlich gut unterscheiden. Bei dem „8er“ und dem „9er“ sieht das aber anders aus.
Ich sag Ihnen, wie ich’s mache:
2,8 Sekunden / 4 Sekunden / 5,6 Sekunden / 8 Sekunden / 11 Sekunden / 16 Sekunden / 22 Sekunden / 32 Sekunden
Erinnern diese Zahlen Sie an etwas? Ja, klar! Das sind die Blendenzahlen und diese erhöhen sich in einem Maß, welches gerade zu ideal ist für die ersten groben Probeschnipsel. Später wird feiner abgestuft. Doch für die ersten Schnipsel sind diese Zeiten ein gutes Maß.
Probeschnipsel auf die Lichter
Sie werden mit dieser Methode sicherlich schnell die richtige Belichtungszeit gefunden haben – bei minimalstem Papieraufwand. Sie müssen nun keine Angst haben, dass im unteren Schatten-Bereich irgendwelche Bildinformationen abgeschnitten sind und dennoch haben sie das kräftige Maximalschwarz des Papieres erreicht. Doch was ist mit den hellsten Bildbereichen?
Idealerweise liegen Schatten und Lichter dicht zusammen. So lassen sich bereits mit den Schatten-Probeschnipseln die Lichter „einfangen“. Ansonsten macht man mit der zuvor für die Schatten ermittelten korrekten Zeit einen zusätzlichen Probeschnipsel für die Lichter.
Die Wahl der richtigen Papiergradation
Am Anfang hatte ich ja provisorisch die Gradation geschätzt bzw. entsprechende Filterwerte eingestellt.
Erst an dieser Stelle kommt die exakt zu verwendende Papiergradation ins Spiel.
Mit der Belichtungszeit werden die Schatten kontrolliert. Mit der Wahl der Gradation werden die Lichter „eingestellt“:
Als „Lichter“ bezeichnet man die hellsten Stellen im Bild, welche nahezu weiß aber noch mit einem Hauch von Zeichnung versehen sein sollen.
- Sind meine Lichter bei der Zeit, bei welcher die Schatten stehen, zu grau, so muss ich mit einer härteren Gradation arbeiten.
- Haben meine Lichter bei der Zeit, bei welcher die Schatten stehen, noch keine Deckung (sind sie ausgefressen), so muss ich eine weichere Papiergradation verwenden.
Es gibt Motive, bei denen es keinerlei „brillante“ Lichter, also keine fast weißen Bereiche gibt. Bei Nebelaufnahmen ist dies z. B. fast immer der Fall. Doch für die meisten Motive wird obiges zutreffen.
Dummerweise muss beim Wechsel der Gradation wieder die Zeit für die Schatten neu ermittelt werden. Man kann dies vermeiden, wenn man sich eigene, wirklich passende Korrekturwerte für den Color-Kopf ermittelt.
Hinweis: Sind die Lichter im Endergebnis immer noch zu grau, lassen diese sich nach dem Fixieren leicht bei Tageslicht mit Farmerschen Abschwächer nach Sicht klären (aufhellen). Daher kann man im Zweifel eine leicht zu weiche Gradation beim Vergrößern verwenden.
Lichter, die nach dem Trocknen immer noch keine Zeichnung aufweisen kann man allerdings später nicht mehr retten.*
*Es besteht evtl. die Möglichkeit einer partiellen Bleichung und Rückentwicklung mit hoch konzentriertem Entwickler.
Die finalen Baryt-Probeschnipsel nur trocken beurteilen
Beachten Sie, falls Sie auf Baryt vergrößern: Die meisten Barytpapiere dunkeln beim Trocknen leicht nach. Lesen Sie hierzu evtl. auch meinen Artikel „Der Dry-Down-Effekt„.
Ich trockne die groben Probeschnipsel nicht zur Beurteilung. Die finalen Schnipsel kommen aber in den Schnelltrockner oder in eine kleinere Trockenpresse. Beim Trocknen laufen die Schatten evtl. zu und die Lichter bekommen nochmal einen Tick mehr Zeichnung bzw. können aber auch an Brillanz verlieren. Ersteres lässt sich kaum retten. Zu graue Lichter lassen sich aber später noch recht einfach mittels Farmerschen Abschwächer klären bzw. zur nötigen Brillanz verhelfen.
Anmerkung zu den Schatten
Ich möchte in diesem Absatz noch einmal auf die dunkelsten Stellen im Positiv, auf die Schatten zu sprechen kommen, denn ich halte es für sehr wichtig, sich diese Bereiche der Fotografie ganz genau anzusehen. Ich erinnere mich noch an meine eigenen Arbeiten aus meiner „Anfängerzeit“. Hatte ich doch beim Belichten des Filmes in der Kamera genau darauf geachtet, dass jener ausreichend Licht bekommt, machte ich dies beim Vergrößern wieder zunichte, indem ich einfach nicht punktuell die Schattenstellen meines Motivs betrachtete sondern das Foto global beurteilte. Ich sehe diesen Fehler auch immer wieder bei Anfängern. Es gibt durchaus Motive, denen homogene, „zugelaufene“ Schatten stehen. Bei Landschaftsaufnahmen wird dies nahezu nie der Fall sein, denn was bewirkt (Schatten-) Zeichnung? Sie sorgt für einen dreidimensionalen Bildeindruck. Gibt man dem Fotopapier aber zu viel Licht, vernichtet man sozusagen viele Bildinformationen in den dunklen Bereichen: Die Fotografie wirkt leblos. Wie gesagt: Es gibt Ausnahmen. Doch den meisten Motiven kommt eine korrekte Schattenzeichnung sehr zu Gute.
Merken Sie sich die Höhe Ihres Vergrößerungskopfes
Zum Abschluss noch ein Tipp: Wenn Sie
- für eine bestimmte Filmsorte
- bei einer bestimmten Höhe des Vergrößerungskopfes
- bei einer bestimmten Blende und
- einer bestimmten Filterung
… das Maximalschwarz eines bestimmten Papieres bei Verwendung eines bestimmten Entwicklers gerade so erreichen, dann müssen Sie beim nächsten Motiv theoretisch nicht erneut die Schatten-Probeschnipsel machen (nur zur finalen Kontrolle), sofern Sie alle obigen Parameter genau so wieder verwenden!
Ich vergrößere oft Serien, bei welchen sich der Abbildungsmaßstab gar nicht ändert und nutze oft die selbe Filmsorte. Ich habe mir notiert, bei welchen Kopfstellungen (Höhen) wie lange ca. belichtet werden muss, bis eine maximale Schwärzung auf meinem Papier erfolgt. So habe ich bereits einen groben Richtwert für die jeweilige Belichtungszeit.
Die Lichter-Probeschnipsel müssen hingegen immer gemacht werden. Denn jedes Motiv hat ja einen anderen Kontrastumfang, welcher zumeist so auf das Papier gebracht werden sollte, dass die Lichter brillant werden, also möglichst hell ohne dabei auszufressen.
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Für ein feines Bild, für das also, was man gemeinhin als „Fine Art“ bezeichnet ist es nicht unwichtig, auf solche Details zu achten. Natürlich wird sich ein starkes Motiv immer behaupten. Doch wäre es doch schade, wenn man es durch mangelhafte Technik an visueller Aussagekraft beschränkt.
Überaus gute Artikel auf ihrer Seite. Vielen Dank für die Einblicke!
Danke, jetzt hab ichs endlich kapiert
Vielen Dank für den super Artikel.