35mm-Objektiv: Der ideale Kompromiss zwischen Normalbrennweite und Weitwinkel
Meistens sitzt bei mir auf meiner „Vollformatkamera“ eine 35 mm Festbrennweite. Damit decke ich fast alle meine Motive ab. Es ist der ideale Kompromiss zwischen Weitwinkelobjektiv und Normalbrennweite.
Wie bei den meisten Fotofreunden, die auch eine analoge Spiegelreflex-Kleinbildkamera ihr Eigen nennen, gehört zu der meinigen die obligatorische 50 mm Festbrennweite – die Normalbrennweite. Solche Kameras wurden damals offenbar häufig mit solch einem Objektiv verkauft. Ich fand diese 50 mm schon immer recht eng, was den Aufnahmewinkel anbelangt. Man liest häufig, dass dieser dem des menschlichen Sehfeldes entspricht. Bei mir ist das anders: Entweder habe ich leichte Weitwinkelaugen oder diese Theorie stimmt einfach nicht. Kurz: Ich finde, bereits eine Brennweite von 50 mm (auf das „Vollformat“ bzw. auf das Kleinbild bezogen) bildet bereits ein ganz leichtes Teleobjektiv ab. So sehe ich nicht mit bloßen Augen.
Abgesehen von Situationen, bei denen man nicht nah genug heran gehen kann (der Tiger im Zoo), benötige ich keine Teleobjektive. Die 50 mm nutzte ich bisher nur für Halbporträts von Menschen. Dafür ist sie gut, für „Ganzkörperportraits“ noch besser. Zudem sind diese Objektive meist sehr lichtstark, womit man Ganzkörperporträts mit der klassischen 50mm-Festbrennweite sehr schön frei stellen kann. Auch verzeichnen sie kaum, was sicherlich nur für technische Fotografien wichtig ist.
Für fast alle meiner Motive eignet sich jedoch das „leichte Weitwinkel“ von 35 mm am besten. Hiermit habe ich stets einen guten Kompromiss zwischen zwei meiner Vorstellungen: Ein Objekt genügend groß abbilden zu können, gleichzeitig diesem genügend Raum geben zu können, damit man auch etwas von dessen Umfeld erfährt / sieht. Es wäre also das Objektiv für die berühmte Insel (auf die man je nur eine Sache mitnehmen darf).
Solch eine Brennweite von 35 mm wird technisch als ein leichtes Weitwinkelobjektiv bezeichnet (bezogen auf das Kleinbild bzw. Vollformat). Dabei treten hier gewisse Verzerrungen, die solch ein Weitwinkel mit sich bringt, kaum auf. Die Bilder wirken noch „normal“. Dennoch hat man damit bereits genügend Raum um das eigentliche Motivelement herum abgebildet: Es kann eine Zuordnung statt finden.
Eine weitere analoge S/W-Aufnahme mit dem 35mm-Objektiv.
So sah das Motiv an diesem schönen Tage auch vor meinen eigenen Augen aus: Ich erblickte das Bassin in dessen gesamten Breite. Nur die Personen im Vordergrund erschienen mir etwas größer. Bei derlei Spaziergängen habe ich immer nur das kurze 35 mm Objektiv auf meiner Spiegelreflexkamera. Ich fotografiere auch gerne im Mittelformat, früher auch im Großformat: Wenn recht große Drucke keine Prämisse sind, ist es immer wieder „erleichternd“, einfach nur eine präzise, kompakte Kleinbildkamera bei sich tragen zu können, welche einfach nur aus dem Handgelenk heraus funktioniert und schnell wieder weg gesteckt werden kann. Ich brauche nicht zwingend mehrere Brennweiten wie Steine in der Tasche. Ich möchte mir diese Art des Fotografierens wieder „zurück“ angewöhnen. Vor 20 Jahren startete ich damit und habe es etwas verlernt. Vergrößern tue ich solche Motive im eigenen Mini-Labor auf 24 x 30 cm, manchmal auf 30 x 40 cm. Das funktioniert noch – Es müssen keine riesigen Drucke sein. Obgleich: Mit dem T-Max 100 sind selbst im Kleinbild große Vergrößerungen möglich.
Beispiel auf dem Tmax 100 mit dem 35mm-Objektiv in der alten, engen Werkstatt
Bei meiner analogen Nikon-Kamera nutze ich das (relativ günstige) 1:2.8 35 mm Nikkor. Damit kann man nichts falsch machen. Sicherlich gibt es kompaktere Modelle und auch lichtstärkere. Letztere werden dann allerdings sicherlich schwerer und noch größer sein, was nicht so recht zu meinen Spaziergängen mit der Kamera passt.
Hier führte mich mein Weg durch einen Durchgang. Mit einem 50 mm Objektiv hätte ich diesen kleinen Tunnel selbst nicht mehr genügend in die Szene integrieren können. Bei einem 28mm-Weitwinkel wäre der Turm der russischen Kathedrale (sie steht im Sächsischen) im Hintergrund bereits zu klein abgebildet. Für derlei Stadtspaziergänge schätze ich die 35mm-Brennweite als idealen Kompromiss zwischen Normalbrennweite und Weitwinkel.
35mm-Festbrennweiten gibt es natürlich von allen namhaften Herstellern. Auf diesem Foto ist das Flektogon 35 mm abgebildet (Anschluss M42).
(Stadt-) Landschaftaufnahmen (wie hier, mit Gelbfilter) erscheinen mir mit solch einer Brennweite genau so, wie ich sie vor Ort mit den eigenen Augen wahrnehme – insbesondere was die Ferne anbelangt. Ein 50mm-Objektiv beschneidet mir hier bereits zu viel. Nur der Vordergrund erscheint etwas „weitläufiger“. Hier merkt man, dass es sich um ein leichtes Weitwinkel handelt.
Durch das nur leichte Weitwinkel bzw. durch den geringen Abstand zum Vordergrund wirken die alten Bahnschwellen, die hier gestapelt sind, etwas größer, genügend dominant. Die Häuser in der Ferne rücken in den Hintergrund. Dieser Effekt ist nicht so übertrieben ausgeprägt wie bei einem 28mm-Weitwinkel: Er ist beim 35er dezent vorhanden.
Hier ein Beispielfoto auf dem Ilford Delta 100 S/W-Film. Mit solch einem Objektiv ist man „genügend nah dabei“. Es verzerrt jedoch nicht so unrealistisch wie ein Objektiv kürzerer Brennweite (z. B. eines mit 28 mm).
die bekannte Yashica T5
Interessant ist auch, dass die vielen analogen Kompaktkameras (die Hosentaschenrutscher) damals sehr oft mit einem 35mm-Brennweite-Objektiv gebaut worden sind (wie auch in einem Beitrag bei Docma nachzulesen). Allerdings hatte dies wohl auch technische Gründe: Durch die geringe Brennweite konnten diese Kameras einfach kompakter (flacher) gebaut werden.
Dieses Bild hatte ich mit solch einer Point&Shoot-Kamera (der begehrten Olympus Mju II) spontan gemacht, als ich merkte, dass da plötzlich Schafe auf mich zu liefen. Auch diese Kamera besitzt ein fest verbautes Objektiv mit einer Brennweite von 35 mm.
Bei Innenaufnahmen hingegen nutze ich gerne das „richtige“ Weitwinkel von 28 mm (wie z. B. bei der Konzertfotografie). Bei Stadtrundgängen oder bei der Landschaftsfotografie ist mir die 35 mm Festbrennweite am liebsten. Oft kann hierbei durch die Einbindung des Raumes einfach mehr „erzählt“ werden.
Natürlich hängt die Frage »Welche Brennweite?« auch immer vom jeweiligen Sujet ab. Ich gehe bei den meinigen gerne näher heran, möchte dabei aber immer noch genügend Raum „drumherum“ abbilden (welcher hierbei etwas in den Hintergrund rückt aber nicht so stark wie bei einem stärkeren Weitwinkel). Bei vielen Wanderungen und Spaziergängen durch Stadt und Land reichte mir hier immer einfach nur eine simple 35mm-Festbrennweite auf der analogen Kleinbildkamera aus. Würde ich so etwas auch digital machen, würde ich sicherlich auch häufig auf das schwere Zoom verzichten und bei Bedarf einfach näher heran gehen. Soviel Zeit muss für ein gutes Foto ja sein (abgesehen einmal von den Eisbären im Zoo). Andere Objektive habe ich hier allein schon aus Gewichts- und Platzgründen nicht im Gepäck.
Mein altes Nikkor 35 hat einen recht langen Auszug bzw. eine kurze Naheinstellgrenze, sodass ich es für solche Motive verwenden kann, ohne auf Zwischenringe angewiesen zu sein.
Und am Ende noch zwei weitere Beispielfotos mit der 35mm-Festbrennweite im analogen Kleinbild.
Hallo Thomas,
„Der Blickwinkel, innerhalb dessen das menschliche Auge Farben und Formen unterscheidet, beträgt etwa 45°. Standartobjektive werden daher annähernd für diesen Winkel konstruiert.“ So die Info aus dem alten Beipackzettel eines Olympus Zuiko Auto-S 50mm 1,8. Der Sehwinkel des menschlichen Auges beträgt angeblich zwischen 40-55°. Bei 40mm haben wir dann 56,8°, bei 50mm 46,8° und bei 60mm schließlich 39,7° (Kleinbildformat). Dementsprechend wäre das 50’er die goldene Mitte. Ganz alte Normalobjektive haben oft eine Brennweite von 55, oder sogar 58mm. Inzwischen werden vermehrt 40mm Brennweiten angeboten.
Einige Jahre habe ich mit langen Brennweiten alte Gebäude abgelichtet. Dadurch waren diese in die umgebende Landschaft eingebettet und wurden auch nicht von der Horizontlinie durchgetrennt. Stürzende Linien traten ebenfalls nicht auf. (Angeblich nutzten Bechers häufig Teleobjektive) So sieht es das Auge aus der Ferne beim Wandern. Steht man dagegen 10 Meter vor dem Gebäude und schaut nach links, nach rechts, nach oben und unten, so hat man ein Weitwinkel. D.h. alle Brennweiten sind dem menschlichen Sehen sehr nahe. Der nachträgliche Bildausschnitt aus einem 24mm Objektiv entspricht exakt dem der entsprechenden Telebrennweite. Der Maler hat den Pinsel und wir haben die Wahl.