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Lichtstärke 1:1.4: Portrait-Unschärfe wie im Mittelformat via Kleinbild möglich?

Für ein Fotoprojekt möchte ich Porträts mit geringer Schärfentiefe anfertigen. Dabei soll jedoch ein eher größerer Abstand zu den Porträtierten bestehen. Komme ich für diese Bildvorstellung am Mittelformat vorbei, wenn ich einfach ein besonders lichtstarkes 50mm 1:1.4 Objektiv an der Kleinbildkamera verwende?

Foto mit geringer SchärfentiefeEine genügend geringe Schärfentiefe erreicht man mit solch einem lichtstarken Objektiv. Aber ich bin dennoch unzufrieden mit dieser Lösung.

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Mich gefielen schon immer jene historische Fotografien von Menschengruppen, bei denen trotz einem größeren Abstand zu den Abgebildeten der Bildhintergrund in deutliche Unschärfe rückt. Idealerweise nutzt man für solch eine Bildvorstellung dann auch tatsächlich solch eine Plattenkamera bzw. Großformatkamera und ein möglichst lichtstarkes Objektiv. Einige Fotografen haben sich hierfür extra das »Aero Ektar« für teures Geld besorgt, um es an einer 4×5-Inch-Planfilmkamera für Porträts zu nutzen – hier eine Seite mit beeindruckenden Beispielfotografien.

historische Fotografie mit unscharfem Hintergrund

eine historische Fotografie mittels Plattenkamera mit unscharfem Hintergrund aus meinem Glasplatten-Konvolut

Ich jedoch bin faul und geizig: Am liebsten würde ich nämlich solche analogen Porträtaufnahmen mit viel Unschärfe im Hintergrund und mit gleichzeitiger Nicht-Teleperspektive in Bezug zu meinen Porträtierten bequem im Kleinbild erhalten.

Technisch verhält es sich so: Je größer das Aufnahmeformat ist (also z. B. das Mittelformat 6×6 ist größer als das Kleinbildformat) desto besser lässt sich Hintergrundunschärfe realisieren – die Schärfentiefe ist bei größeren Aufnahmeformaten bei gleicher Blende geringer. Bei einem Smartphone mit äußerst kleinem Aufnahmeformat ist solch eine Hintergrundunschärfe oft nur mittels interner künstlicher Bildbearbeitung realisierbar.

Dafür jedoch ist es bei kleineren Aufnahmeformaten technisch leichter, besonders lichtstarke Objektive herzustellen. Und je größer die Blendenöffnung ist, desto geringer ist auch hier die Hintergrundunschärfe. Die Frage ist also, ob sich beides ausgleicht.

Erhalte ich im Kleinbild mit einem überdurchschnittlich lichtstarkem 1:1.4-Objektiv eine ebenso geringe Hintergrundunschärfe wie im 6×6-Mittelformat mit einem hier typisch lichtstarkem 1:2.8-Objektiv?

Meinem Test nach: in etwa, tatsächlich

 

ein Objektiv Brennweite 50 mm und Lichtstärke 1:1.4

Auf dieser Abbildung zu sehen meine alte 50 mm Normalbrennweite von Nikon, jedoch mit recht hoher Lichtstärke von 1:1.4. Es gibt zwar noch eine mit einer Lichtstärke von 1:1.2. Der Unterschied dürfte gering sein.

Ich hatte vor etwas längerer Zeit ein Porträt mit meiner 6×6-Mittelformatkamera angefertigt:

ein Portrait mit geringer Hintergrundunschärfe

Genau von solchen Porträts mit geringer Hintergrundunschärfe und der dadurch erreichten »Plastizität« im Bild möchte ich in Zukunft mehr anfertigen. Fotografiert wurde hier bei Offenblende 2.8 des Zeiss Biometar 80 mm. Aber am liebsten würde ich die schwere und klobige Mittelformatkamera nicht dafür herum schleppen, sondern ich würde gerne für solche Bilder meine Kleinbildkamera verwenden.

 

ein Portraitfoto bei Offenblende

Diesen Sommer hatten wir das Foto nachgestellt – Dieses Mal jedoch mit meiner hurtigen Spiegelreflex-Kleinbildkamera aus dem Stegreif und meinem 50mm-Objektiv – auch hier bei Offenblende, jedoch eben bei der hier möglichen hohen Lichtstärke von bereits 1:1.4 des alten Nikon Nikkor aus vermutlich den 1970er Jahren.

Wie man sieht, ist es im Kleinbild tatsächlich möglich, die geringe Hintergrundunschärfe des 6×6-Mittelformats (fast?) zu erreichen, wenn man im kleinen Format ein besonders lichtstarkes 1:1.4-Objektiv anstelle das 1:2.8-Objektiv im Mittelformat verwendet. Für zumindest mein Kamerasystem im Mittelformat gibt es kein lichtstärkeres Objektiv.

Die Sache hat allerdings vier Haken.

Ich möchte zunächst noch einige weitere Abbildungen mit meinem alten Nikkor 50 mm 1:1.4 bei völlig geöffneter Blende auf Kleinbildfilm zeigen:

ein Portrait mit dem 50mm Objektiv Blende 1.4

Portraitfoto mit dem Nikkor 1.4

Zwar erhält man bereits im Kleinbild (bzw. »Vollformat« bei Digitalkameras) mit einem besonders lichtstarken Objektiv mit einer Anfangsblende von 1:1,4 bei eben dieser Offenblende eine doch durchaus beeindruckende Hintergrundunschärfe – auch wenn recht viel Raum um eine so porträtierte Person gelassen wird, was bei mir Prämisse- und kaum durch ein Teleobjektiv durch seine Ferne bzw. seinem Tunnelblick möglich ist, da ja die Landschaft im Hintergrund und daneben auch eine Rolle bei solchen Porträts spielt.

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Bei zumindest meinem über 40 Jahre alten Nikon Nikkor 50 mm 1:1.4 treten hier (bei ganz geöffneter Blende) jedoch folgende Probleme auf:

  1. Das Kontrastvermögen dieses Objektives ist bei voller Öffnung ernüchternd gering. Bei diffuser Beleuchtung (Wolken vor der Sonne) fällt dies besonders auf: Details werden matschig abgebildet. Es gibt keine zufriedenstellende Kantenschärfe. Das Objektiv löst bei dieser Einstellung sehr gering auf. Bei härter Beleuchtung (lediglich dünne Schleierwolken vor der Sonne bzw. bei frei stehender Sonne) fällt dieser Fehler nicht ganz so sehr auf, da hier bereits durch die harte Beleuchtung Kanten besser zur Geltung kommen.
  2. Es gibt zumindest bei meinem Objektiv (Nikkor nicht-Ai 50 mm 1:1.4) bei offener Blende eine deutliche Vignettierung, d. h. schattierte / dunklere Bildecken. Jedoch ist dieser „Fehler“ bei meiner Absicht bzw. bei meinen Bildvorstellungen von Personen, die eher im Mittelpunkt stehen, ein solcher gar nicht – im Gegenteil: Denn in der Dunkelkammer (oder am Computer) hätte ich die Randbereiche des Bildes eh nachbelichtet, um das Auge entsprechend zu lenken. Dies ist hier dann gar nicht mehr nötig. Dennoch ist dies, rein technisch betrachtet, natürlich ein Abbildungsfehler.
  3. Es ist bei einem solchen besonders lichtstarken Objektiv relativ schwierig, die Schärfe durch das Fokussieren genau zu treffen. Sicherlich verhält es sich hier bei modernen Autofokus-Objektiven anders. Ich schreibe in diesem Beitrag über ein „analoges“ 1:1.4-Objektiv aus den 1970er Jahren. Aber da der Kleinbildfilm 36 Aufnahmen bietet, empfiehlt es sich hier, gleich mehrere Aufnahmen bei leicht unterschiedlich gesetztem Fokus anzufertigen. Ich hatte jedenfalls so manche Aufnahmen, die einfach »daneben lagen«, da die Schärfentiefe bei gänzlich offener Blende hier wirklich sehr gering ist und bei dem kleinen Format (im Gegensatz zum Mittelformat) eine geringere Toleranz im Scharfstellen besteht.
  4. Und natürlich kommt man bei Blende 1:1.4 am Tage schnell an die Grenzen so mancher Kamera, wenn diese nur eine schnellste Belichtungszeit von 1/1000 Sekunde ermöglicht. Dies wäre bei einem Film mit einer Empfindlichkeit von 100 ASA gerade so noch schnell genug, wenn sich Wolken vor der Sonne befinden. Ist es heller, muss man einen Graufilter verwenden, wenn die Kamera keine besonders schnellen Verschlusszeiten (z. B. 1/4000 Sekunde) beherrscht. Ich nutze einen variablen Graufilter.

Es ist jedoch die geringe Detailauflösung bei gänzlich geöffneter Blende, die mich hier besonders stört, bzw. die nicht zufriedenstellende Fähigkeit, Kontraste differenziert darzustellen – sofern man nicht abblendet:

Bildausschnitt von einer Aufnahme mit dem Nikkor 50mm 1.4

Bei diesem Detailausschnitt aus einem der anfangs gezeigten Beispielen sieht man sicherlich, was ich meine: Bei Offenblende hat mein altes, besonders lichtstarkes Nikkor-Objektiv eine Abbildungsqualität fast schon wie eine Lomo-Kamera. Bei diffusem Licht zeichnet das Objektiv bei Blende 1,4 sehr weich. Details verwischen. Für manche Porträtvorstellungen ist dies sicherlich wieder von Vorteil. Ein Weichzeichner-Filter muss nicht benutzt werden. Für meine sachlichen Portraitfotografien jedoch möchte ich einen genügenden Detailkontrast und auch, dass die Auflösung des Filmes (hier Ilford Delta 100) nicht durch das Objektiv bereits begrenzt wird und alles etwas zu luftig wirkt.

Etwas anders verhält es sich bei härterem / harten Licht – also beispielsweise bei direktem Sonnenlicht: Ein solches betont Kanten und der schwammigen Abbildungsqualität meines Objektives bei gänzlich geöffneter Blende wird dadurch etwas Einhalt geboten. Ich jedoch fotografiere solche Motive am liebsten bei diffusem Licht. Auch eine harte bzw. kontrastreiche Ausfilterung in der Dunkelkammer bzw. am Computer kann den Fehler etwas mildern, sofern dies dem jeweiligen Motiv zuträglich ist.

 

das Bokeh bei einem 50mm 1:1.4 Objektiv

Ich hatte jüngst mit meinem alten Nikkor-nicht-Ai-1.4-Objektiv meine Blümlein auf dem Balkon bei Blende 1,4 fotografiert. Hier bin ich also recht dicht heran gegangen. Die Birke im Hintergrund ist als Baum gar nicht mehr zu erkennen: Die Schärfentiefe ist hier sehr gering, das »Bokeh« ohne störende Kringel.

 

Detailausschnitt aus einem Foto mit dem 50mm 1,4 Objektiv

Ein Detailausschnitt aus dem oberen Foto: Man sieht auch hier, dass so ein altes 1,4-Objektiv wie das meinige bei völlig geöffneter Blende doch durchaus weich, kontrastarm, geringauflösend abbildet. Manchen Motiven steht dies sogar.

Ich hatte meinen Testfilm auch, wie ich erst später bemerkte, mit dem falschen Entwickler entwickelt. D76 in der Stammlösung (also als Mehrfachentwickler) hatte ich bisher kaum genutzt. Ich wusste gar nicht, dass dieser in dieser Konzentration recht „kornlutschend“ arbeitet. Ich werde ihn in Zukunft wieder als verdünnten Einmalentwickler verwenden, da er dann schärfer arbeitet.

Durch die Kommentare unter diesem Artikel gehen noch einige interessante Ansätze hervor. Sicherlich hatte bei der Konstruktion solcher lichtstarken Objektive für das Kleinbild niemand daran gedacht, dass diese für Porträts bei offener Blende und besonders unscharfem Hintergrund eingesetzt werden. Vielmehr soll es bei Situationen mit wenig Licht (Reportagen, Musikveranstaltung, …) möglich sein, überhaupt noch Bilder ohne zu Verwackeln anzufertigen. Dass diese nicht gestochen scharf sind, spielte dann keine Rolle mehr. Glücklicherweise wirkt hartes Bühnenlicht dabei dem „schwammigen“ Abbilden solcher Objektive bei offener Blende entgegen.

Für mich heißt dies für die Zukunft: Ich benutze die Blende 1,4 im Kleinbild möglichst nur bei eher hartem Licht, nicht bei diffusem (Wolken-) Licht. Ich werde von einer Szene gleich mehrere Aufnahmen, leicht anders fokussiert aufnehmen (weil das Fokussieren hier schwer fällt). Außerdem werde ich keinen S/W-Filmentwickler nutzen, welcher das fotografische Korn „glatt lutscht“ (kein D76 in der Stammlösung).

Jedoch werde ich meine Portraitaufnahmen nach meinem Test des alten besonders lichtstarken 50 mm 1:1.4 Objektives wenn möglich nicht im Kleinbild aufnehmen. Das Mittelformat ist so einfach nicht einzuholen. Vielleicht gibt es tauglichere, neuere Kleinbild- bzw. Vollformatobjektive mit der hohen Lichtstärke von 1:1,4. Aber so etwas kann ich mir dann nicht leisten.

Zudem: Ich habe festgestellt, dass das quadratische Format der 6×6-Kamera auch viel besser zu meinen Motiven passt als das rechteckige Querformat des Kleinbildes.

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Veröffentlichung: 10.09.2023; geändert: 19.09.2023

der Author dieser SeiteHallo! Hier schreibt Thomas. Ich beschäftige mich seit nunmehr 20 Jahren mit der analogen Fotografie und ich entwickele meine Bilder in der Dunkelkammer oder "mit" dem Computer.

Diese Website hat inzwischen den Umfang eines ganzen Lehrbuchs erreicht: Schauen Sie / schaue Du auch einmal in das Inhaltsverzeichnis hinein:

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Frau Müller | am 17. September 2023

„Ich sah eben immer nur die antiken Fotografien von großen Platten, bei denen so etwas seinerzeit offenbar üblich war.“

Hallo Thomas,

hier schließt sich der Kreis. In meinem ersten Kommentar schrieb ich dass es für Dein Vorhaben einer Großformatkamera bedarf. Mit Kleinbild – einerlei ob digital oder analog – gelingt das so gut wie nicht. Die Übergänge in den Unschärfeverläufen sind zu „hart“. Die notwendigen Objektive sind meist zu schlecht.

Warum fotografierten unsere Altvorderen auf die von Dir so bewunderte Art und Weise? Das war „offenbar üblich“ weil es anders nicht ging. So schlicht ist die Antwort.

Zum einen war es vor 1900 – und auch teilweise noch lange später – nicht üblich Negative zu vergrößern. Man machte Kontaktabzüge. Zum anderen waren die zu beziehende Emulsionen (einerlei ob Platte oder Film) alles andere als wirklich empfindlich. Gehe einfach einmal davon aus dass um das Jahr 1900 Filmempfindlichkeiten, nach heutigen Werten, von circa ISO 0 bis 5 die Regel waren. Damit lebende Personen zu fotografieren war nicht einfach. Mit einer großformatigen Kamera hieß das praktisch Offenblendzwang. Bevor man daran dachte abzublenden versuchte man einigermaßen tolerable Verschlusszeiten zu erreichen.

Und jetzt rechne einmal selbst: Blende 45 ist bei 18×24 cm eine hochanständigen Blende (es gab einmal die Gruppe f64). Die zu erreichende Schärfentiefe ist etwa äquivalent zu Blende 5,6 im Kleinbild. Wenn der Großformatfotograf nun im Jahr 1900 mit seiner o.g. Kamera mit Blende 5,6 oder gar noch weiter offen (vgl. Hugo Meyer & Co – Goerlitz Atelier-Schnellarbeiter 3/400mm) fotografierte dann kannst Du Dir selbst ausrechnen welche Blende Du für eine ähnliche Aufnahme an der Kleinbildkamera benötigen würdest.

Weiter musst Du bedenken dass – wie ich schon schrieb – die Verläufe in den Unschärfebereichen mit zunehmenden Aufnahmeformat immer weicher werden.

Zusätzlich kommt hinzu dass so gut wie kein damaliges Objektiv bei Offenblende bis in die Ecken oder Ränder scharf zeichnete. Der Leistungsabfall war gewaltig. Im Grunde genommen war nur die Bildmitte einigermaßen brauchbar; wenn überhaupt. Auch dieser Effekt trägt zur Bildwirkung bei.

Übrigens: Schaue Dir einmal frühe Bilder vom großartigen August Sander an. Ich denke eines meiner Lieblingsfoto von ihm aus dieser Zeit (Konfirmandin 1911) zeigt den von Dir gewünschten Effekt sehr schön.

Thomas (Admin)
Besten Dank für die interessanten Ansätze! Ich dachte bisher, vor 120 Jahren gab es einfach einen eher kitschigen Geschmack. Daran, dass eine entsprechende Unschärfe nun auch mit der Unmöglichkeit, einfach abblenden zu können einhergeht, hatte ich nicht bedacht. Das klingt jedoch schlüssig.

Frau Müller | am 15. September 2023

Hallo Thomas,

Du schreibst : «Ich finde, das Thema Hintergrundunschärfe wird recht spärlich besprochen.»

Sei mir bitte nicht böse, das sehe ich völlig anders. Um nichts anderes wird von Hobbyknipsern mehr Bohei gemacht als ums Bokeh. Siehe auch den Kommentar unter meiner ersten Antwort. Auch wenn ich bis heute nicht weiß was das eigentlich ist, ständig werde ich damit genervt. Nicht wenige Leute sprechen mich zu diesem Thema an. Als hätte ich Ahnung davon.

Ach ja, bevor ich es vergesse, zum Thema fand ich vor einigen Jahren diesen Link

https://haukefischer.fr/accueil/offenblendzwang-gibt-es-da-nichts-von-ratiopharm/

Im Ernst: zum Thema liest man in aller Regel Quatsch. Hauke Fischer bringt es auf den Punkt.

Zu Deiner Bildidee: wüsste ich nicht dass Du etwas von Bildern verstehst dann würde ich raten vorsichtig zu sein. Zu schnell wird aus einer Technik eine Marotte. Solche gestalterischen Mittel nutzen sich recht schnell ab. Zu oft sah ich Serien oder gar ganze Arbeitszyklen von Künstlern welche in mir den Verdacht einer einfallslosen Masche hervorriefen.

Die Idee Hintergründe in den Bildaufbau mit einzubeziehen finde ich gut. Ob sie nun scharf, leicht unscharf oder völlig verwaschen sein sollen würde ich vom Motiv und der Intention, welche hinter dem Foto steht, abhängig machen. Zu schnell sieht man sich an einem bestimmt Stil satt.

Zum Thema lichtstarke Objektive könnte ich jetzt einen langen Monolog halten: ich spare ihn mir. Früher hatten diese Objektive einen wirklichen Nutzen. Man konnte bei dunklen Bedingungen noch Bilder machen wenn andere schon längst die Segel streichen mussten. Heute frage ich mich oft ob hohe Lichtstärke nicht mehr Schaden anrichtet als Nutzen bringt. Ich persönlich verzichte in aller Regel auf Lichtriesen. Mir sind sie zu groß, zu schwer und zu teuer. Auch aus Sicht der Psychologie lehne ich sie ab. Wer möchte schon gerne als Motiv in ein großes dunkles Loch aus Glas schauen. Man fühlt sich regelrecht abgeschossen. Kein schönes Gefühl. Zur Bildgestaltung siehe oben. Frauke Fischer hat dazu alles gesagt.

Viele Grüße von der Müllerin die gerne nützliches beiträgt wenn sie kann

Thomas (Admin)
Danke für den Link zum lesenswerten Artikel. Wenn es um die Art des Umgangs mit Unschärfe geht, wie dort beschrieben, hast Du sicherlich Recht damit, dass so etwas lang und breit besprochen wurde. Aber solche Bilder mache ich ja nicht, mir geht es ja um „Landschaftsunschärfe“ bei der „Totalen“, also wenn ich mit der Normalbrennweite 8 Meter von einer Person entfernt stehe und der Hintergrundlandschaft die Geschwätzigkeit (Begriff aus dem Fischer-Artikel) nehmen-, sie aber dennoch lang und breit abbilden möchte. Zu solch einer Situation las ich nie etwas. Ich sah eben immer nur die antiken Fotografien von großen Platten, bei denen so etwas seinerzeit offenbar üblich war.

Frau Müller | am 13. September 2023

Hallo Thomas,

was hast Du erwartet, das Ergebnis war vorhersehbar.

Dass das alten Nikonobjektiv für Deinen Zweck nicht erste Wahl ist muss nicht verwundern. Dafür ist es nicht gebaut. Das war eine Niederlage auf Ansage. Zum einen weil es ein alter Eumel ist und zum anderen weil Du es völlig sinnfrei verwendest.

Als diese lichtstarken Objektive vor mehr als einem halben Jahrhundert entwickelt wurden sollten sie bei schwachem Licht benutzt werden. Kein Mensch wollte sie freiwillig bei offener Blende benutzen. Diese war für absolute Notfälle gedacht. Jeder wusste dass offene Hose eine Notlösung ist. Das nahm man hin um überhaupt Fotos zu bekommen. Besser ein Verlust in der maximalen Auflösung als ein verwackeltes oder verwischtes Foto. Auch Koma und extrem starke Verzeichnung nahm man hin. Ebenso eine schwache Bildfeldebnung wie auch Anfälligkeit zu Streulicht und Reflexe.

Dass das lichtstarke Nikon bei offener Blende weich zeichnet muss kein Fehler sein. Bei sachgerechter Verwendung kann das sogar Vorteile haben. Meist sind bei schlechten Beleuchtungen große Kontraste vorherrschend. Hier ist die weiche Wiedergabe gewünscht. Das erleichtert ungemein das Leben wenn man versteht was man tut. Knipse mit dem Ding Menschen in einer dunklen Kneipe oder geh damit auf Jazzkonzerte im Keller und das Ding läuft zur Hochform auf. Dafür ist es gebaut. Nicht um zur Mittagszeit im Freien die Herzdame aufzunehmen.

Zu Deinem Vorhaben: Du kommst nicht an großen Aufnahmeformaten vorbei. Zum einen zeichnen die meisten Mittel- oder gar Großformatobjektive bei offener Blende schärfer als ihre Brüder vom Kleinbild. Geisterbilder, Überstrahlungen und all die anderen geliebten Fehler der Kleinbildlichtriesen sucht man i.d.R. vergebens. Zum anderen kann man mit der Lupe des Schachtsuchers (Mittelformat) genauer einstellen. Auch Autofokus hilft nur wenig; zumindest bei analogen Kameras. Für Deinen Zweck ist er in aller Regel zu ungenau und zu störanfällig. Mit modernen Digitalkameras mag das anders sein. Darum geht es hier aber nicht.

Übrigens: wenn Du tatsächlich den von Dir gesuchten Effekt erreichen möchtest dann kommst Du um das wirklich große Großformat kaum herum. Mittelformat 6×6 ist bei genauer Betrachtung ebenfalls Murks. Selbst 4×5 inch ist noch zu klein. Unter 8×10 inch würde ich erst gar nicht einsteigen. Wenn Du jetzt ein Normalobjektiv (300 mm) bei Blende 8 oder 11 benutzt, dann bekommst Du wahrscheinlich genau das Resultat welches Du möchtest. Leider zum Nachteil dass es jetzt Schluss ist mit sich bewegenden Motiven. Die Schärfentiefe ist winzig. Die Kosten riesig und die Schlepperei eine Folter. Ach ja, ein Spezialobjektiv aus der Luftbildfotografie, wie von Dir erwähnt, ist in meinen Augen ebenfalls ein Irrweg. Die Dinger sind nicht für Deinen Zweck gerechnet.

Weiterer Vorteil ist dass der Verlauf der Unschärfe mit steigendem Aufnahmeformat immer schöner wird. Auch wenn rechnerisch mit einem Lichtriesen im Kleinbild vergleichbare Schärfentiefe zu erreichen sein sollte. Die tatsächliche Darstellung der Unschärfeverläufe wirkt im großen Format immer homogener und weicher. Hier ist wirklich einmal größer besser ……..

Thomas (Admin)
Hallo Frau Müller, habe mir schon gedacht, dass Du hier zu diesem Thema etwas Vernünftiges beisteuern kannst. Ich finde, das Thema Hintergrundunschärfe wird recht spärlich besprochen. Meist endet es damit: „Nimm einfach ein Teleobjektiv“. Aber ich möchte eben nicht diese Perspektive.
Ich denke, jetzt nach meinen Aufnahmen, auch, dass solche Objektive wie meines für schlechte Lichtverhältnisse ihre große Anfangsblende mitbringen und für nichts anderes. Interessant auch die Sicht auf die damit einhergehende Weichheit: Dies könnte dann bei z. B. hartem Bühnenlicht tatsächlich vorteilhaft sein.

Stefan Becker | am 13. September 2023

Hallo Thomas,

meiner Meinung nach fehlen in Deinem interessanten Artikel noch zwei wichtige Aspekte:

1) Mittelformatfilm hat eine deutlich bessere Auflösung und Tonalität (viel feineres Korn, Kontrast, Auflösung, Helligkeitsverläufe usw. bei Betrachtung des Gesamtbilds). Dies kann man mit keinem KB Objektiv erreichen. Kleinbild Aufnahmen sehen dadurch meist sichtbar grobkörniger und gar nicht nach Mittelformat aus – insbesondere, wenn man sie noch zwecks MF Look noch quadratisch beschneidet.

Das ist leider meiner Erfahrung nach fast ein „No Go“, das Du nur durch superfeinkörnige KB Negative überwinden könntest. Leider haben superfeinkörnige Filme oft den Nachteil sehr niedrigempfindlich und schwierig zu entwickeln zu sein (Kontrastumfang etc.). Kurzum nicht so wirklich praktikabel.

2) Das Bokeh der Linse ist sehr wichtig. Es gibt meiner Meinung nach leider nur sehr wenige analoge KB Objektive, die bei f1,4 oder f1,2 ein nach modernen Maßstäben (bzw. zur „MF Emulation“ hinreichend) schönes Bokeh haben (ja, Geschmackssache, ich hätte gerne runde Bokehkreise gleichmäßiger Helligkeit und weicher Kante).

Meine Favoriten sind hier das „Nikon 58mm f1,4 AF-S“ (leider immer noch teuer und funktioniert nur an neueren Kameras wie der Nikon F6, möglicherweise sogar nur an der F6) oder das „Minolta Rokkor 58mm f1,2 PG“ (leider auch teuer, und ebenfalls leider ist das Bokeh erst bei f2 richtig schön „glatt“). Viele andere Vintage 50er haben meiner Meinung nach leider nur ein „bescheidenes“ Bokeh, das den „Mittelformat-Look“ ebenfalls nicht vermitteln kann.

Viele Grüße auch weiter alles Gute und „Gut Licht“ wünscht Dir

Stefan

Thomas (Admin)
Hallo Stefan, vielen Dank für die Hinweise und auch zu denen anderer besonders lichtstarken Linsen (Ich habe ja nur Erfahrungen mit der hier vorgestellten).

Viele Grüße zurück!

Günter | am 13. September 2023

Hallo Thomas.

Da hätte ich jetzt auch mehr erwartet. Solche Totalen mit 1,4 sind aber auch immer so eine Sache. Ich persönlich wüsste jetzt auch nicht auf Anhieb, was ich mit einem solchen Objektiv anfangen sollte. Leider hinkt Dein Vergleich auch etwas, wenn ich mir Deine Äusserungen zum Enwtickler so durchlese. Unbedingt vergleichbar ist das ja nicht.
Und einen Mittelformat-Look mit KB zu imitieren? Da hast Dir aber was vorgenommen. Seit dem ich meine Rolleiflex 3,5B habe, fotografiere ich nur noch im Quadrat. Irgendwie hat dieses Format etwas.

Weiterhin „Gut Licht“ wünscht
Günter


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