Unterbelichtung von S/W-Film bewusst einsetzen für einen grafischen Look
Normalerweise ist es nicht zu empfehlen, einen Film zu knapp zu belichten. Für manche Motive jedoch lohnt es sich, wenn man für diese einen S/W-Film bewusst unterbelichtet. Hier zeige ich einige Beispielfotos und erkläre, wo sich dieser Effekt eher lohnt und wo nicht.
In diversen Artikeln auf diesem Projekt über die analoge Fotografie empfehle ich, einem Negativfilm – ob Farbe oder S/W – idealerweise »ordentlich Licht zu geben«, im Zweifel eher mehr als weniger.
Belohnt wird man hierbei mit feinem Korn, einer sehr schöne Schattenzeichnung, gemeinhin mit einer „luftigen“, „leichten“ Darstellung:
Bei diesem Motiv belichtete ich den S/W-Film länger als mir der Belichtungsmesser eigentlich vorschlug.
Jedoch gibt es auch Motive, bei denen es nicht nur als Notbehelf (wenn man kein Stativ dabei hat) sinnvoll ist, den Film knapper zu belichten, als die Kamera / als der Belichtungsmesser eigentlich vorschlägt:
Bei dieser Fotografie wurde der S/W-Film um ca. zwei Blenden unterbelichtet. Übersetzt heißt dies, es wurde bei einer viermal kürzeren Belichtungszeit belichtet als eigentlich notwendig gewesen wäre (z. B. 1/250 S. anstatt 1/60 S.), um die Schattenzeichnung genügend abzubilden. Diese Schattenzeichnung (hier dunkle Bereiche im Gebüsch) ist bei diesem Motiv nicht so wichtig. Vielmehr kommt durch diese nun zu dunkle Umgebung der weiße Akzent grafisch deutlich besser zur Geltung.
Welche Motive eignen sich für eine Unterbelichtung?
Auf dem oberen Beispielbild ist es das kleine Gespenst, welches der letzte Sturm in die (nun) dunklen Büsche geweht hatte. Es eignet sich aber auch eine weiße Gans vor einem dunkleren Scheunentor, ein schwarzer Pudel jedoch nicht.
Durch die Unterbelichtung bleiben eher dunklere Bildelemente wie hier der dunklere Zaun besonders dunkel abgebildet (teils ohne Zeichnung). Eher hellere Motivelemente (und im diese geht es) wie hier die alten Holzlatten werden durch eine spätere Kontrastanpassung hervorgehoben.
Diese Technik der bewusst eingesetzten Unterbelichtung funktioniert immer dann, wenn der bildwichtige Teil eines Motivs eine hohe Eigenhelligkeit besitzt und die Umgebung drumherum ruhig ihre Detailzeichnung verlieren darf, da diese nicht relevant für das Bild ist:
Die Fotografie dieser Landschaft beispielsweise ist um ca. fünf Blenden (Lichtwerte) unterbelichtet. Trotzdem funktioniert das Bild, da durch das Gegenlicht der schmale, regennasse Weg das Licht des Himmels reflektierte und somit besonders hell erschien (helles Motivelement). Der frisch gepflügte Acker links und rechts (dunkle Umgebung) ist hier kaum als solcher zu erkennen. Aber genau dies macht den Reiz an dieser Abbildung aus – der grafische »Look«. Kostenlos dazu erhält man durch die viel zu knappe Belichtung auch noch den schön dramatischen Himmel. Den Weg selbst hatte ich nach einer globalen Kontrastanpassung noch einmal partiell etwas mehr aufgehellt. Dies geht im Fotolabor sehr einfach via Schwämmchen und Bleichmittel (s. u.). In Photoshop nutzt man hierzu eine entsprechende „Einstellungsebenenmaske“ für eine partiell wirkende Gradations-Einstellungsebene.
Ein technisch ähnliches Bild: Fotografien bei Gegenlicht sind die typischen Kandidaten für diese Technik. Denn dadurch, dass die Lichtquelle oder deren starke Reflexion (wie hier auf der Straße) direkt den Belichtungsmesser „verwirrt“ und dieser dann ja eine zu knappe Belichtung veranlasst, sind solche Fotografien rein technisch betrachtet unterbelichtet. Man sieht es hier am pechschwarzen Hintergrund. Dennoch funktioniert diese Fotografie sicherlich viel besser als bei einer ausreichend lange Belichtung auf die Schatten.
Wie belichtet man bewusst unter?
Wer manuell belichtet, wer also Blende und Belichtungszeit z. B. mittels Handbelichtungsmesser ermittelt, kann diesen Punkt sicherlich überspringen. Denn wie man eine zu knappe (oder zu lange) Belichtung an der Kamera einstellt, sollte beim manuellen Fotografieren Usus sein.
Wenn es schnell gehen soll, schätze ich jedoch den internen Belichtungsmesser meiner analogen Kamera – also die Belichtungsautomatik. Einige Kameras besitzen eine Belichtungskorrektur. Bei der hier abgebildeten Nikon ist es das mit dem Pfeil markierte Rädchen mit den Werten:
+2 +1 0 -1 -2.
Bei den meisten der hier im Beitrag abgebildeten „unterbelichteten“ Fotografien wählte ich die Position -2 am Belichtungskorrektur-Einstellrad. Dies bedeutet, dass die Kamera die eigentlich gemessene Belichtungszeit um zwei Belichtungsstufen (zwei Blenden) verringert oder anders gesagt: Man belichtet hierbei das Motiv mit nur einem Viertel der eigentlich gemessenen Zeit.
Bei einfacheren Kameras ohne Belichtungskorrektur-Einstellung kann man den internen Belichtungsmesser dennoch überlisten: Man stellt dann für Unterbelichtungen einfach einen höheren ASA-Wert (ISO-Wert) am entsprechenden Einstellrad ein, als der Film eigentlich besitzt.
Beispiel: Viele der Fotografien in diesem Beitrag hatte ich auf dem Agfaphoto APX 100 aufgenommen. Das ist der S/W-Film, den es (derzeit noch) in manchen Drogerien zu kaufen gibt und welcher eigentlich ein Kentmere 100 sein soll. Jedenfalls besitzt dieser Film eine Empfindlichkeit von 100 ASA (ISO 100). Statt den Wert 100 stelle ich einen um zwei volle Stufen höheren Wert am ISO-Regler ein: 400.
Benutzt man einen ISO-400-Film (z. B. einen Ilford HP 5) kann man ISO 1600 einstellen.
Man kann natürlich auch um nur einen Wert unterbelichten (-1 bzw. ISO 200 einstellen bei einem 100-ASA-Film).
Die Kontrastanpassung
So schauen meine bewusst unterbelichteten Negative aus:
Die Motive finden sich in diesem Beitrag wieder. Man beachte, dass die Negative teils sehr dünn sind. Dies betrifft hier insbesondere die dunklen Motivelemente. So schaut ein typischer unterbelichteter S/W-Film auf dem Leuchttisch aus. Es wurde hier nicht »gepusht« – also nicht länger entwickelt, um wieder auf normale Dichten zu kommen.
So flau schauen solche unterbelichteten (und nicht gepushten) Fotografien zunächst aus, nachdem man sie nach der Roh-Digitalisierung zunächst in ein Positiv umgewandelt hat. Wenn man Negative selber digitalisiert, sollte man, falls möglich, zunächst eine solche „Rohdigitalisierung“ vornehmen und danach eine händische Bearbeitung. Das fertige Bild von diesem Negativ hatte ich etwas weiter oben schon gezeigt.
Wenn man den Film abgibt
Gibt man den Film beispielsweise in einer Drogerie zum Entwickeln ab, wird man später sicherlich Papierbilder erhalten, bei welchen eine automatische Kontrastanpassung versucht hat, die hellsten Motivelemente fast weiß und die dunkelsten fast schwarz im Positiv abzubilden. Normalerweise sehen solche automatisch angepassten S/W-Bilder für meinen Geschmack häufig viel zu »harsch« aus. In diesem Fall, für eigentlich unterbelichtete Filme, wird die Automatik vermutlich einigermaßen ansehnliche, kontrastreiche Bilder produzieren.
Am eigenen Computer
Denn mit nichts besserem als mit dem Gradationskurven-Werkzeug eines guten Bildbearbeitungsprogramms kann man den nötigen Kontrast wieder herstellen bzw. fein anpassen:
Beachten Sie hier die steile S-Kurve: die Lichter (helle Bildbereiche; Berg rechst) können so problemlos wieder auf ihre Brillanz gebracht werden. Man behält so jegliche Lichterzeichnung bei. Voraussetzung ist jedoch eine „Rohdigitalisierung“, also eine Digitalisierung, bei welcher die Scan-Software nicht bereits drastisch in die Bildgestaltung eingegriffen hat (was zunächst die Voreinstellung ist).
Durch eine Pushentwicklung riskiert man, dass die Lichter „blockieren“ bzw. ihre Zeichnung verlieren. Außerdem „pusht“ man ja auch die Mitteltöne und für den grafischen Effekt wäre es hier sicherlich günstiger, wenn diese nicht zu hell kommen.
In der Dunkelkammer
Dünne Negative zu Papier zu bringen, gestaltet sich häufig schwierig. Man benötigt hierzu meist ein extrahartes Papier bzw. ein Multikontrastpapier und dort die härteste Gradationseinstellung am Vergrößerer. Oft ist dies immer noch zu weich.
Idealerweise nimmt man hierfür einen S/W-Entwickler, welcher dafür bekannt ist, bei einer forcierten Entwicklung die Lichter genügend zu deckeln, damit diese nicht zu dicht werden. Beispielsweise Rodinal ist hierfür nicht bekannt. Die meisten Bilder in diesem Beitrag hatte ich tatsächlich mit Rodinal entwickelt. Aber ich hatte die Negative (trotz Unterbelichtung) eben nicht verlängert entwickelt.
Dies ist seit vielen Jahren mein Zaubermittel in der Dunkelkammer, um auf dem Fotoabzug nachträglich die hellen Bildbereiche nach Sicht zu steuern: Farmerscher Abschwächer.
Man verdünnt den Farmerschen Abschwächer mit Wasser, saugt etwas davon mit einem Schwämmchen auf und wischt über die hellen Bereiche des Fotoabzugs. Diese Bereiche hellen sich auf, während die dunklen unberührt davon bleiben. Danach wässert man das Papier erneut. Dies macht man sukzessive für eine feine Steuerung der Lichter im Positiv.
Man erreicht auf diese Weise im Fotolabor also etwas ganz Ähnliches wie mit der oben gezeigten Gradationskurve der Computer-Bildbearbeitung: Dunkle Bildbereiche in einem gewissen Rahmen festpinnen und gleichzeitig die hellen Bildtöne noch heller machen.
Durch die Unterbelichtung sind die Negative hierfür ja bereits gut vorbereitet bzw. eine entsprechende grafische Trennung zwischen Hell und Dunkel ist bereits vorhanden.
Bei diesem Motiv passt diese Technik, wie ich finde, hervorragend. Denn der dunklere Hintergrund besitzt durch die gleichmäßige, diffuse Beleuchtung nur wenige tatsächlich sehr dunkle Bildelemente, so dass trotz Unterbelichtung (Belichtungskorrektur um Minus zwei Belichtungswerte) dennoch gerade so fast überall Zeichnung vorhanden ist.
Durch den weißen Tisch und Stuhl ist durch die anschließende globale Kontrastanpassung eine sehr eindrucksvolle visuelle Trennung der Hell-Dunkel-Elemente im Motiv gelungen ohne dass man partiell eingreifen musste.
Wenn Sie auf Ihrem Bildschirm noch einmal hochrollen wollen, sehen Sie das Negativ von diesem Motiv auf dem Leuchttisch liegen. Man muss hier im Positiv die weißen Gartenmöbel gar nicht mit dem Farmerschen Abschwächer aufhellen. Ein Vergrößern auf hartem Papier würde sicherlich genügen, um in der Dunkelkammer zu so einem Bild zu gelangen, wie ich es hier am Computer eingestellt hatte.
Negativ abschwächen
Man kann übrigens auch mit dem Farmerschen Abschwächer die Negative behandeln (hierfür ist er ursprünglich gedacht): Taucht man ein Negativ in eine Abschwächer-Lösung, schwächt man die Schattenzeichnung ab. Man erhöht also den Kontrast auf Kosten der Schattenzeichnung, wo die Lichterzeichnung hiervon zunächst unberührt bleibt. So gesehen „fügt“ man dem Negativ im Nachhinein eine Unterbelichtung zu. Ich würde so etwas jedoch nicht bei mir wichtigen Motiven versuchen.
Negativ verstärken
Wenn die Lichter des Negativs (hellste Stellen im Positiv) noch zu dünn sind, kann man diese ggf. mit konzentriertem Selentoner verstärken. Sie müssten dann etwas dichter werden und somit im Positiv heller. Der Toner wirkt nur an den dichtesten Stellen, nicht in den dünnen Schatten des Negativs.
Gröberes Filmkorn
Belichtet man Negativfilm unter, wird man diesen im Anschluss durch eine Kontraststeigerung im Positivprozess in der Regel wieder auf entsprechend »ansehnliche« Kontraste bringen. Verschiedene Möglichkeiten hatte ich gerade besprochen.
Bei diesen Kontrastverstärkungen wird jedoch immer auch das Filmkorn betont:
Dies ist ein Bildausschnitt aus dem folgenden Motiv (Kleinbild):
Auch diese S/W-Fotografie wurde sehr stark unterbelichtet. Vom Herbstacker im Vordergrund und einigen Krähen darauf ist keinerlei Struktur mehr zu sehen, er ist fast schwarz. Doch durch die äußerst knappe Belichtung (ca. minus 4 Blenden) erhielt ich einen fantastisch bedrohlichen Himmel – ohne dass dessen Zeichnung durch Nachbelichtungs-Tricks hervor gezaubert werden musste. Ohne diesen grafischen Effekt wäre diese Fotografie doch recht belanglos geworden.
An meiner Kamera stellte ich hier lediglich die Belichtungskorrektur von -2 ein. Doch hält man einen Belichtungsmesser bzw. eine Kamera mit einem solchen integrierten direkt in Richtung Lichtquelle (bzw. hier Himmel), wird er immer eine (zusätzliche) Unterbelichtung veranlassen, weil er dann denkt, es wäre besonders hell. Dabei ist es lediglich die Lichtquelle selbst, die angemessen wird und nicht die hiervon beleuchtete (hier) Landschaft. Wer es „richtig“ machen möchte, misst hier den Boden an. Aber für die Bilder in diesem Beitrag wollte ich es bewusst »falsch« machen und dies muss in der analogen Fotografie nicht unbedingt auch falsch sein.
Und durch die spätere Kontrastanpassung (Kontrasterhöhung) des viel zu knapp belichteten Negativs wird das fotografische Korn sichtbar verstärkt. Meiner Erfahrung nach ist es hierbei egal, auf welche Weise diese Kontrastverstärkung erfolgt – das Filmkorn wird stets sichtbarer.
Dies muss jedoch kein Nachteil sein. Analoge S/W-Fotografien ohne sichtbarem Filmkorn empfinde ich als etwas fade. Daher fotografiere ich im Mittelformat auch nur noch mit klassischem ISO-400-S/W-Film, weil mir ansonsten das Korn zu sehr bei kleineren Vergrößerungen fehlt.
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Fazit
Bei Motiven, bei denen etwas Helles im Vordergrund steht und eine dunklere Umgebung weniger relevant ist, lohnt es sich, durch eine zusätzliche, zu knappe Belichtung auszuprobieren, inwiefern eine solche Unterbelichtung visuell durchaus förderlich für das Bild sein kann: Die hellen Bildtöne bekommt man später durch eine Kontrasterhöhung wieder heller, wobei die dunklen hierbei eher dunkler bleiben.
Dieses Foto hatte ich jüngst mit meiner Streichholzschachtel-Lochkamera gemacht. Es ist völlig unterbelichtet, das Negativ äußerst dünn. Der Hintergrund (ein Zimmer) ist komplett schwarz abgebildet. Aber durch die nachträgliche Kontrasterhöhung erreichte ich dennoch ein helles (wenn auch sehr körniges) Gesicht.
Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Bei solchen Fotografien wie bei dieser, wo es auf Details auch in den Schatten ankommt, auf „schöne Grautöne“, belichte ich vom Stativ üppig – also bei einem Negativfilm im Zweifel dann doch besser über Gebühr.
Gerade manch technisch nicht perfekte aber umso wirkungsvollere S/W-Fotografie (Porträts, „schroffe“, körnige Landschaften, …) machen die analoge Fotografie für mich besonders interessant. Das absichtliche Unterbelichten funktioniert jedoch nicht bei jedem Motiv ansehnlich gut und bei anderen sieht es besser aus, wenn man ihnen genügend Licht bei der Aufnahme gibt, wenn man also ausreichend lange belichtet.
Danke, sehr viel und sehr einfach gelernt. Deshalb schätze ich diesen Blog so sehr.
Danke, das freut mich!