Das Chaotische bei der Analogen Fotografie: Nichts ist absolut vorhersehbar
Die analoge Fotografie besitzt teils etwas „Chaotisches“: Wenn man nicht aufpasst oder schlicht Pech hat, dann erhält man ein Ergebnis, welches man so nicht vorhergesehen hat. Manchmal ist dies durchaus frustrierend. Manchmal jedoch ergibt sich auch etwas ganz Besonderes daraus. Hier zeige ich ein Bild, bei welchem Letzteres der Fall war.
Jeder Berufsfotograf kann über die digitale Fotografie froh sein: Das Risiko, dass man zum Kunden zurück gehen muss, weil die Bilder „nichts geworden“ sind, ist nahezu gegen Null gesunken. Froh darüber zu sein, dass nun, durch die digitale Fotografie, die Konkurrenz wesentlich größer geworden ist, kann er natürlich nicht. Aber dies ist eine ganz andere Geschichte. Will sagen: Das teils Chaotische und Unvorhersehbare der analogen Fotografie ist ein Fall für den Amateur, ein Metier des Liebhabers fotografischer Prozesse.
Jüngst ist mir etwas passiert, über das ich mich zunächst ärgerte, über dessen Ergebnis ich letztendlich aber durchaus entzückt war:
Dies ist doch eine wahrhaft surreal erscheinende Fotografie. Als wäre hier ein Albtraum visualisiert. Dabei war dieser Vintage Print so eigentlich gar nicht geplant. Aufgenommen wurde dieses Foto mit einer alten 6×6-Tubiskamera aus den (ich glaube) 50er Jahren. Nichts Besonderes. Ich hatte jedoch das Objektiv ausgebaut und stattdessen die Plastiklinse der Lomography Holga Kamera eingebaut: Allein solch eine Linse sorgt schon für unvorhersehbare und chaotische Fotografien.
So sieht der normale Handabzug vom Negativ aus:
Natürlich erscheint auch hier nichts „normal“. Unschärfe, Vignettierung, Kratzer und sogenannte „Lichthöfe“ kennzeichnen dieses Bild. Verantwortlich ist hierbei eine billige Kamera und das miserable Plastikobejktiv der Holga-Kamera. Da letztere jedoch weder über einen brauchbaren Verschluss verfügt (keine einstellbaren Belichtungszeiten) noch über eine Blende (Grad der Verzerrung steuerbar), baute ich diese Acryllinse in eine andere Kamera ein, eine „Braun Paxina“:
Hier sieht man diese Kamera. Das Problem an den heute erhältlichen Lomo-Kameras ist eben deren ungenügend steuerbare Technik. Dabei ist das Interessanteste an ihnen eben nur die Optik – und diese kann der Bastler nun durchaus auch in andere Kamera-Gehäuse einbauen. Nun kann man auch Belichtungszeit und die Blende einstellen. Mit letzterer steuert man den Grad der Verzerrung (je weiter die Blende geöffnet ist, desto schlechter ist die Abbildungsqualität). Auch Filter nutze ich hier sehr gerne.
Ein weiteres Foto mit dieser Kamera im Format 6×6 auf 400 ASA S/W-Film. Hier ist es mir tatsächlich ein Rätsel, warum der linke Bereich so dunkel geworden ist. Auf anderen Bildern des selben Filmes ist dieser Bildfehler wieder verschwunden.
Hier sieht man solch seltsame „rauchartige“ Schlieren an den beiden Bildrändern links und rechts. Da weiß ich, woher sie wohl kommen: Damit der Film keine Kratzer am (etwas angerosteten Gehäuse) bekommt, hatte ich die Filmführung im Innern mit dünnem und glattem Klebeband abgeklebt. An diesem reflektiert hier offenbar das Sonnenlicht bei dieser Lichtsituation.
Es soll nun aber freilich noch aufgelöst werden, wie es zu dieser seltsamen, mehrfachbelichteten Fotografie ganz oben im Beitrag (ein Handabzug auf Barytpapier) gekommen ist: Ihr ging nämlich eine Unachtsamkeit in der eigenen Dunkelkammer voraus:
Hier wird das (noch weiße) Fotopapier unter dem Vergrößerer im Maskenrahmen eingespannt. Es wird etwas gedreht, die Maskenbänder werden verschoben, es wird der Ausschnitt festgelegt – natürlich mit eingeschwenktem Rotfilter am Vergrößerer. Denn für rotes Licht ist das eigentlich lichtempfindliche Fotopapier ja „blind“ und man kann dieses Rotlicht, wie sicherlich bekannt, in der S/W-Dunkelkammer bedenkenlos nutzen. Weiterhin probte ich an diesem Motiv bereits das sogenannte Abwedeln und Nachbelichten, indem ich einen Karton über bestimmte Stellen des Bildes hielt. Irgendwann merkte ich jedoch: Der Rotfilter ist ja gar nicht eingeschwenkt, das Papier wird die ganze Zeit belichtet! So etwas Dummes! Nun ist ein Baryt-Fotopapier in der Größe 24×30 cm nicht billig – Es kostet ca. 80 Cent. Ich dachte »Scheiß drauf, ich schmeiße es in den Entwickler«. Und siehe da: Etwas Unvorhersehbares entstand.
Hierzu passt auch der Artikel Mit der alten Boxkamera fotografieren. Besonders Portraits stehen solche Bildfehler (meine Meinung) häufig gut.
Eine Fotografie, die mit einer selbst gebauten Lochkamera aus einer simplen, kleinen Streichholzschachtel gemacht worden ist,
Nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Die analoge Fotografie kann natürlich auch für qualitativ hochwertige Bilder im konservativen Sinn genutzt werden. So fotografiere ich primär mit Kameras bzw. Objektiven, die auf „Leistung“ ausgelegt sind und ich achte sehr sorgsam auf gewisse Fehlerquellen. Als Ausgleich sozusagen macht es mir aber auch sehr viel Freude, derlei Perfektion völlig zu verwerfen und solche unpräzise, surreal erscheinende Fotografien anzufertigen. Die Fotografien in diesem Beitrag sind mit einer Kamera bzw. mit einem Objektiv entstanden, wo tatsächlich nichts mehr exakt stimmt: sehr schlechte Linse, Reflexionen im Innern, ungenaue Planlage.
Hallo und klasse was du machst und zeigst! Für mich sind gerade diese unperfekten schwarz/weiß Bilder das Besondere an der analogen Fotografie. Sie reizen mich am meisten. Man hat sich an den vielen perfekten Bildern doch schon satt gesehen. Ich werde mal sehen, ob ich das mit der Holgalinse einmal nachbauen kann. Weiß noch nicht an welcher Kamera.