Mit der Semi-Lochkamera die Schärfentiefe erhöhen
Das Besondere an Lochkameras ist u. a. deren sehr hohe Schärfentiefe. Der Nachteil: Erst bei größeren Negativformaten erhält man eine befriedigend hohe Auflösung. Ich habe das Loch der Lochkamera mit einem normalen Objektiv kombiniert, um beides zu bekommen.
Fotos von Lochkameras sehen mir persönlich oft etwas zu glattgelutscht aus, was natürlich an der geringen Auflösung bzw. an der hohen Beugungsunschärfe liegt (Licht zwängt sich durch die winzige Öffnung). Möchte man mehr Auflösung, muss man mit einer Lochkamera mit größerem Filmformat (bzw. größerem Loch) arbeiten. Aber dann sieht man kein fotografisches Korn mehr, welches zusätzlich für eine Art „Pseudoschärfe“ sorgen kann. Das Bild wirkt damit crispier, wie der Engländer vielleicht sagen würde.
Es gibt aber eine Möglichkeit, mit einer Kleinbildkamera als „Semi-Lochkamera“ beides zu vereinen: die äußerst hohe Schärfentiefe der Lochkamera, eine viel höhere Auflösung als wie sie es im Kleinbild normalerweise mittels Pinhole möglich wäre und natürlich fotografisches Korn, welches im Kleinbild mit einem 400-ASA-Film recht leicht zu realisieren ist. Man kombiniert einfach eine Lochblende mit winzigem Loch mit dem normalen Objektiv.
Solche seltsam erscheinenden Fotos sind dann mit der Konstruktion realisierbar:
Hier ist das fotografische Korn deutlich zu sehen. Da Lochkameras in einer verhältnismäßig geringen Auflösung belichten und da die Bilder somit zumeist rundgelutscht bzw. immer leicht unscharf aussehen, ist das (scharf umrissene) Filmkorn eine gute Möglichkeit, den Fotografien einer Lochkamera etwas künstlich Schärfe zu verleihen. Und dies geht am besten im Kleinbild, bei der Verwendung eines 400 ASA Filmes und beim „Pushen“ von diesem auf ca. 800 ASA mit einem S/W-Negativentwickler wie Rodinal.
Siehe auch → Grobes Filmkorn erzeugen
Allein: Im Kleinbild ist die Auflösung der Lochkamera freilich per se am geringsten. Um dem entgegen zu steuern, verwende ich eine Art „Hybridlösung“: Eine Semi-Lochkamera:
An einer Kleinbild-Spiegelreflexkamera wird das konventionelle Objektiv verwendet (z. B. ein 28 mm Weitwinkel) und hinter dieses wird zusätzlich (mittels einer lichtdichten Folie) das Lochkamera-Loch angebracht.
Hinweis: Ich hatte mir bei den Beispielbildern eine „gelaserte“ bzw. gekaufte Lochblende letztlich direkt in ein altes 50er Objektiv über die eigentliche Irisblende gebaut. Eine direkt hinter das letzte Linsenelement angebrachte Folie (wie im Bild) sollte aber für erste Experimente reichen.
Das Ergebnis: Die Schärfentiefe erhöht sich drastisch, die typische Beugungsunschärfe einer Pinholekamera freilich auch. Doch durch den hohen Vergrößerungsmaßstab beim Kleinbild ist hier Filmkorn sichtbar und die Auflösung ist durch das „davor geschaltete“ Objektiv noch ausreichend hoch (was man z. B. an den Strommasten im Hintergrund sieht).
Zusätzlich wurde bei diesem Beispielbild noch ein Blitz eingesetzt. So ergeben sich mit etwas Experimentierbereitschaft völlig neue Bilder. Diese extrem hohe Schärfentiefe ist mit einem konventionellen Objektiv nicht möglich.
Hier wurde die selbe Technik der Semi-Lochkamera verwendet: Ein konventionelles Objekiv auf einer simplen analogen Kleinbild-Spiegelreflexkamera mit einer zusätzlich eingebauten „Pinhole-Lochblende“. Erkennen Sie die Anspielung, die kleine Reminiszenz auf Herbert Bayers „Einsamer Großstädter“?
Freilich kann man sich auch eine funktionierende Lochkamera aus einem Kaugummi und einer Konservendose bauen. Es ist aber auch durchaus möglich, qualitativ hochwertige Fotografien mit einer solchen Pinhole-Kamera anzufertigen. Dieses Buch führt den Leser in die erweiterten Techniken für eine optimale Abbildungsqualität ein. Es ist z. B. bei Amazon erhältlich.
Und hier noch ein Beispielfoto mit der Semi-Kleinbild-Lochlamera. Per Klick geht das Foto noch etwas größer zu betrachten.
Sie merken schon: Ich bin weniger von Holzarbeiten oder witzigen Konstruktionen entzückt (was viele Lochkamerafreunde offenbar schätzen). Sondern ich nutze die Technik der (Semi-) Lochkamera bewusst für gestalterische, künstlerische bzw. reproduzierbare Zwecke. Ähnliche Ergebnisse wie hier erhält man übrigens mit der Verwendung einer Meniskuslinse – jedoch ohne die ungewöhnlich hohe Schärfentiefe, die mit einer Pinholekamera realisierbar ist. Gerade letztere ist es, was diese Bilder so seltsam artifiziell erscheinen lassen. Dies funktioniert aber immer nur, wenn ein Motivelement sehr nah im Vordergrund platziert ist. Von daher ist man hier gestalterisch auch etwas eingeschränkt.
Nachtrag
Ich wollte es nun doch einmal wissen, was aus einer APS-C-Lochkamera herausgekitzelt werden kann – im Schnellgang:
• Canon M mit M42-Adapter und schwarzer Pappe mit 3mm Loch als Lochblendenträger, Abstand zum Sensor ~70mm
• Lochblende 1: Alufolie aus Schokoladenverpackung: 20µm lt. Mikrometer (dünner gehts kaum!)
Loch gestanzt mit zusätzlich angeschliffener Nähnadel und glasierter Fliese als Untergrund: das Loch ist unglaublich klein und präzise…
Ergebnis:
viel zu viel Beugungsunschärfe, kann man vergessen
• Lochblende 2 mit größerem Loch
Ergebnis:
die Verhältnisse scheinen sich umzudrehen: zwar weniger Beugung, dafür zu breites Strahlenbündel, ebenfalls unbefriedigend
• Canon M wie oben mit M42-Adapter, Einstellung auf 6400 ASA (und höher)
• 50 mm Objektiv (1,8er Pancolar)
• Blitz für den Vordergrund, Sync. = 1/200s, frei Hand belichtet (mit einer Zweihundertstel kein Problem)
• Loch wie Lochblende 2 (s. oben), einfach um den Tubus der Hinterlinse gebördelt (ergibt ca. 2-3 mm Abstand von der Austrittspupille) und komplett ungeschwärzt („quick & dirty“)
Ergebnisse:
– die Objektivblende muss offen sein, sonst wird sie von der Lochblende optisch erfasst und ihr sechseckiger Umriss wird gnadenlos ins Bild gebracht
– die Entfernungseinstellung des Objektivs spielt keine Rolle, offensichtlich beherrscht die Lochblende das Geschehen, denn auf dem Testfoto (siehe nachfolgender link) ist von den Zimmerpflanzen im Vordergrund (ca. 40 cm entfernt) bis unendlich (Wald im Hintergrund, ca. 250 m Luftlinie) nahezu alles gleichförmig (un-)“scharf“
– interessant: beim Fokussieren von 0,45m bis unendlich reagiert das Ganze lochkameratypisch (kein feststellbarer Brennpunkt), jedoch ändert sich der Bildwinkel ziemlich deutlich um ca. 40%, der Drehgriff zum Scharfstellen des Objektivs mutiert sozusagen zu einem Zoom…
– trotz dominanter Wirkung der Lochblende bringt die Kombination mit Optik wie erwartet erheblich mehr Auflösung und fängt an Spaß zu machen, für das kleine Bildformat ergeben sich damit durchaus reizvolle Anwendungen; die Auflösung lässt sich geschätzt hochskalieren zu Thomas‘ seinen Beispielen im Kleinbildformat
– in Kombination mit hohen ASA-Zahlen und in Farbe bewirkt das Sensorrauschen eine Art „Pointilismuseffekt“ – alternativ bzw. in reziproker Analogie zum Schärfeffekt des Korns von Fimen mit hoher ASA-Zahl
Beispielbild
Als nächstes soll die Objektivblende mit der Lochblende überdeckt werden, dafür suche ich erst noch nach einem Verfahren, ein sternförmiges Loch eventuell fotolithografisch auf eine Kupferfolie zu übertragen und anschließend zu ätzen. Ob das mit einer beugungsträchtigen Filmmaske (statt einer dünnen Metallmaske wie in der Halbleiterchipfertigung) sowie Sprühdosen-Fotolack aus dem Elektronikladen gelingt, ist noch die Frage…
Hallo Andreas, vielen Dank für die weiteren Ausführungen.
Zu deiner Entdeckung in Fingerhutgröße, schreibe mir doch einfach eine E-Mail (siehe Impressum).