Film eintesten mit Taschentuch und Socke
In diesem Beitrag geht es darum, die für den persönlichen Prozess günstigste Entwicklungszeit eines bestimmten Filmes auszutesten. Oftmals wird dieses Thema eher wissenschaftlich behandelt. Dies möchte ich vermeiden, denn für die tatsächliche fotografische Praxis reicht auch ein wesentlich simplerer Ansatz.
Allgemein
Die Höhe des Kontrastes eines Negativfilmes ist relevant dafür, auf welchem Weg denn auf Grundlage dieses Negativs später das Positiv entstehen wird. So eignen sich beispielsweise eher kontrastarme (dünne) Negative für die Digitalisierung mittels einem Scanner. Wohingegen man bei der Vergrößerung mittels eines Diffusor-Vergrößerers eher härtere Negative benötigt (= längere Entwicklungszeit).
Bleiben wir aber bei der klassischen Vergrößerung mittels einem Vergrößerer: Im Idealfall sollte das Negativ auf ein Papier der Gradation „normal“ vergrößert werden können ohne, dass es a) zu „flau“ ist und b) dass die Lichter „ausreißen“. Der Kontrastumfang des Negativs sollte also genau jenem eines Papieres der Gradation „normal“ entsprechen. Und dies wird mit der Länge der Entwicklungszeit gesteuert.
Jeder bewegt die Filmentwicklerdose etwas anders, nicht jeder mag bei 20 °C entwickeln oder der eigene Vergrößerer hat eine Tendenz zu weichem Licht, auch die Papiersorte spielt eine Rolle: Für perfekte Negative muss also jeder seine eigene, individuelle Entwicklungszeit finden, um ein „normales“ Motiv am besten mit einer „normalen“ Gradation vergrößern zu können.
Hierzu gibt es diverse Anleitungen im Netz, beispielsweise hier oder dort.
Die meisten dieser Anleitungen haben allerdings einen sehr starken wissenschaftlichen Ansatz. Dies ist keinesfalls nötig, um zu guten Ergebnissen zu gelangen! Ich halte mich an die Praxis und daher teste ich meine Filme etwas anders ein:
Testbild mit beiden „Eckpunkten“: Socke und Taschentuch
Ich möchte nochmal erwähnen, worauf es hier ankommen soll: Die meisten Motive wirken am besten, wenn sie brillantes Weiß enthalten und tiefes Schwarz. Diese beide Enden der „Grauwertskala“ sollten im Idealfall auf ein Papier der Gradation „normal“ passen. Damit das Weiß nicht „über das Ziel hinausschießt“ (d. h. im Negativ zu dicht wird), darf man den Film nicht zu lange entwickeln. Damit das Weiß aber nicht zu flau wird (im Negativ nicht genügend gedeckt), darf wiederum auch nicht zu kurz entwickelt werden. Und die richtige Zeit findet man einfach, indem man ein typisches Testbild mehrmals fotografiert und jeweils unterschiedlich entwickelt:
ein einfaches Testbild
Dies ist mein Testbild: Es enthält beide Enden der Grauwertskala sowie einen Mittelwert: Schwarz, Mittelgrau und Weiß. Mein Ziel war es, das Negativ mit Gradation 3 mit folgenden Prämissen erfolgreich vergrößern zu können:
- das Maximalschwarz (Socke) soll gerade so erreicht werden (was mit jedem Negativ geht)
- gleichzeitig aber soll das Weiß des Taschentuchs weder ausfressen (zu hart) noch zu dunkel / grau (zu weich) werden
Es ist wichtig, dass die beiden „Eckpunkte“ schwarze Socke & weißes Taschentuch gleichmäßig mit gleicher Lichtstärke beleuchtet werden! Somit wird eine „normale“ Lichtsituation bei einem Motiv mit „vollem“ Tonwertumfang (Schwarz und Weiß vorhanden) simuliert.
Bei meinem Test ging ich einfach so vor, dass ich das Bild auf dem Film fotografierte, der gerade in der Kamera war und diesen später so entwickelte wie immer. Das Ergebnis hat sofort gepasst und ich wusste, ich nutze bereits die für meinen Prozess günstigste Entwicklungszeit.
Wäre das Taschentuch bei gerade so erreichtem Maximalschwarz der Socke auf einem Papier normaler Gradation (für mich ist Gradation 3 normal) zu dunkel abgebildet, wären meine Negative zu weich bzw. würde ich zu kurz entwickeln. Hätte sich aber (bei gerade so erreichtem Maximalschwarz!) keine Zeichnung im Weiß abgebildet, wären meine Negative einheitlich zu hart und ich sollte in Zukunft besser etwas kürzer Entwickeln. Als Verlängerungs- bzw. Verkürzungsschritte schlage ich 30% vor.
Die „Graukarte“ in der Mitte des Testbildes ist übrigens nicht wichtig. Wichtig sind die beiden „Eckwerte“.
Bei einem „richtigen“ Foto wäre das Taschentuch beispielsweise eine Braut ganz in weiß und der Bräutigam die Socke. Würden Sie ihre Filme grundsätzlich zu kurz entwickeln, müssten Sie zum Vergrößern eine härtere Papiergradation nehmen als „normal“, damit das Brautkleid auch schön „brillant“ erscheint und nicht zu grau.
Wie Sie sehen, habe ich mir auf der Testaufnahme auch alle relevanten Daten notiert: den Film, um den es geht und der Entwickler. Dann ist der Kipprhytmus unbedingt relevant sowie auch die Sorte Vergrößerungspapier! Ich selbst komme mit diesem simplen Test bzw. mit einer entsprechenden Kalibrierung genau so zu einem „feinen“ Bild wie mit aufwendigen Messungen mittels einem „Densitometer“ oder dergleichen.
Vergleich mit einem Histogramm
Hinweis: Dieser Punkt dient lediglich zur weiteren Information.
Wer auch in der „digitalen“ Bildbearbeitung zu hause ist, der wird wissen, dass dort das vielleicht wichtigste Kontrollelement das sogenannte Histogramm ist. Dieses Instrument zeigt – einfach gesagt – an, ob das Weiß ausgefressen ist oder das Schwarz zugelaufen:
Die beiden wichtigsten Punkte 1 & 2 sollten auch stets bei einem analogen Abzug im Auge behalten werden.
Diesen „Abstand“ können wir auch dehnen (länger entwickeln): Der Film wird „steil“, denn die Lichter erhalten im Negativ noch mehr Dichte ohne, dass sich etwas an den Schatten tut. Oder wir verkürzen den Abstand (kürzer entwickeln): Der Film wird „weich“, die Lichter erhalten im Negativ weniger Schwärzung. Im ersten Fall passt der Tonwertumfang dann nicht mehr in den „Tonwertunmfang-Bereich“ eines Papiers der Gradation Normal. Hier müssten dann Tonwerte beschnitten werden (entweder Schatten oder Lichter oder beides).
Im zweiten Fall ist der „Tonwertumfang-Bereich“ des Papieres der Gradation Normal größer als der Tonwertumfang des Negativs: Das Bild wirkt flau.
Jedes Motiv besitzt einen anderen Kontrastumfang
Rein theoretisch besitzt jedes nicht gleiche Motiv einen anderen Kontrastumfang. Dies liegt allein schon am Charakter des vorhandenen Lichtes. Mein Licht bei der „Socke und dem Taschentuch“ war z. B. ein recht hartes, was bewirkt, dass das Weiß des Taschentuches heller wirkt als bei einem diffuserem Licht (bei ansonsten gleich hellem Schwarz). Wäre ein diffuseres Licht zum Einsatz gekommen, hätte ich das Negativ etwas länger entwickeln müssen. Und tatsächlich entstehen die meisten meiner Motive bei eher weichem Licht (und nicht bei praller Sonne), so dass ich meine Entwicklungszeit noch einmal überdenken sollte!
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Will sagen: Letzten Endes wird man bei jedem Abzug auf Variokontrastpapier (Multigrade) die Gradation fein anpassen müssen, wenn man bei seinen Bildern auf eine gewisse Qualität besteht. Möchte man dies (Arbeiten mit Multigradepapier) nicht, muss man seine Negative nach dem „Zonensystem“ belichten und entwickeln. Ich versuche aber meine Negative so zu entwickeln, dass ich mit ihnen ungefähr im Mittelfeld liege, was den Kontrast anbelangt. So habe ich beim Papier nach oben und unten hin genügend Reserve. Denn ich steuere den Kontrast lieber im Positivprozess.
Vielen Dank für diesen hilfreichen Beitrag! Viel zu häufig liest man zu diesem Thema hauptsächlich etwas über Gamma-Werte, für deren Ermittlung ein Densitometer notwenidg ist (sicher macht das auch Sinn, aber für die meisten ambitionierten Hobbyfotografen, die zumal häufig nicht im Großformat fotografieren, ist das ein sehr technischer Zugang).
Eine Anmerkung/Frage noch – Ich habe es heute so gemacht: Graukarte in der Mitte, rechts und links ein schwarzes und weißes Feinrippunterhemd (das hat ja eine feine Struktur), Beleuchtung allerdings bei Kunstlicht, Belichtung gemessen (mit Televorsatz) auf Graukarte und dann 3 Aufnahmen gemacht. Eine mit „Normalbelichtung“ und eine mit -1 und eine mit +1 Belichtung. Meine Idee war, dass ich so den Film nach Herstellerangaben entwickle und dann schaue welche der drei Belichtungen zur korrekten Darstellung der Graukarte führt. Wenn das z.B. bei der +1 Belichtung der Fall wäre, dabei aber die Lichter im Vergleich zur Normalbelichtung (wo sie möglicherweise noch Zeichnung zeigen) leicht überstrahlen, nehme ich zukünftig die +1 Belichtung und verkürze die Entwicklungszeit um 20-30%, was dann meine neue „Normalbelichtung und -entwicklung“ darstellen würde. Vorteil: Ich muss den Film nicht zerschneiden oder die Aufnahme auf mehreren Filmen ablichten, die dann unterscheidlich entwickelt werden.
Falls hier ein Denkfehler vorliegen sollte, bitte ich um Korrektur.
Beste Grüße
Marius