Abwedeln und Nachbelichten am Beispiel berühmter Fotos
Namhafte Fotografen, deren Bilder man zum visuellen Gut unserer westlichen Kultur zählen dürfte, arbeiteten oft so: Sie fotografierten und gaben die Bilder später einem sogenannten „Printer“. Erst dieser machte daraus die „Ikonen“, die wir heute kennen. Doch wie sah deren Arbeit aus?
In diesem Artikel möchte ich ausnahmsweise einmal keine technische Anleitung selbst schreiben. Vielmehr möchte ich auf eine Internetseite aufmerksam machen, bei der einige Ihnen sicher bekannte Fotografien zu sehen sind – nebst den Aufzeichnungen des Laboranten.
Sie meinen, die berühmten Fotografien, die nun seit Jahrzehnten einen festen Platz im Bildbestand unserer Medienkultur eingenommen haben, seien so bereits aus der Kamera „gekommen“? Falsch gedacht: Damit diese Bilder erst ihre Wirkung und Anziehungskraft erlangen konnten, durchliefen sie einen nicht unerheblichen Prozess analoger Bildbearbeitung. Insbesondere das Interpretieren des Negativs bzw. das Entgegenarbeiten bezüglich der Negativinformationen nach ästhetischen aber nicht unbedingt realistischen Prinzipien spielt hierbei eine wichtige Rolle. In Worten wurde bei solchen Bildern nicht zu knapp die Techniken des Abwedelns und Nachbelichtens angewandt: Gewisse Bildbereiche wurden heller abgebildet, andere wiederum dunkler – So wie ein Maler nach seinem Geschmack die Helligkeit von Farben wählt.
Schauen Sie hierzu einmal auf diese Internetseite (englisch).
Anhand mehrerer bekannter Fotografien von Dennis Stock, Bob Henriques und Thomas Hoeppker wird demonstriert, wie diese erst durch die nachträgliche Bildbearbeitung durch den „Printer“ Pablo Inirio zu „Ikonen“ der westlichen visuellen Kultur wurden. Ohne einen solchen Fachmann in puncto analoge Bildbearbeitung wären diese Fotografien heute wohl nahezu unbekannt. Einen weiteren Artikel zum Thema stellt die FAZ bereit. In diesem geht es um den Printer Voja Mitrovic und um seine Arbeiten von den Negativen berühmter Fotografen.
Denken Sie in dieser Hinsicht auch an Ihre eigenen „Schablonen“ (gemeint sind Ihre Negative). Sie sind ja kein Scanner sondern besitzen die Möglichkeiten, gewisse Bildelemente zu verstärken oder abzuschwächen.
Gut: Manche Negative sind bereits perfekt und bei diesen muss nichts mehr getan werden. Sie können einfach kopiert werden. Die meisten meiner Motive wirken aber erst durch eine gewisse Bildbearbeitung meinem Anspruch nach richtig.
Nachbelichten des Himmels bei Verzicht auf harte Filterung (die Grafik stammt aus meiner Anleitung zum selber Vergrößern).
Was man im Studio mit Lichtsetzung einfach arrangieren kann, muss man bei „available Light“ nicht selten später im Fotolabor ausrichten: Das Setzen von Schatten durch Nachbelichten und das Aufhellen von z. B. Gesichtern durch Abhalten. In der Praxis schaffe ich bei Landschaftsaufnahmen eine Luftperspektive durch Abwedeln und erhalte somit eine deutlich „gestaffeltere“ Bildwirkung:
Bei meinen eigenen S/W-Vergrößerungen arbeite ich bei fast jeder mit den Techniken Abwedeln und Nachbelichten. Ich persönlich halte das Aufsplitten dieser Methoden in derart viele Einzelschritte, wie sie bei dem Link zu sehen sind, für eher übertrieben bzw. glaube, dass man hierbei auch mit weniger Einzelschritten zu einem aussagekräftigen Ergebnis kommt. Da steckt wohl auch etwas Show dahinter.
Was die „Printer“ damals mit Abwedeln und Nachbelichten arrangierten, kann heute – dank Multikontrastpapier – noch wesentlich raffinierter gesteigert werden: Das Belichten unterschiedlicher Regionen des Bildes mit unterschiedlichen Gradationen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf das Buch „Workshop S/W-Printing“ hinweisen, welches ich in meiner Buchvorstellung bespreche. Dieses Buch ist eines der wenigen, welches genau auf die besprochene Kunst des Abwedelns und Nachbelichtens eingeht und demonstriert, wie man von der bloßen Schablone, dem Negativ, zu einem aussagekräftigen S/W-Abzug gelangt.
Grob lässt sich festlegen, dass durch Abwedeln und Nachbelichten Folgendes realisiert werden soll: Helle Bereiche sollen direkt neben dunklen Bereichen erscheinen. Dunkle Bereiche sollen unmittelbar neben hellen Bereichen erscheinen. Lokale Kontraste sollen verstärkt werden. Bei dem Link sieht man dies sehr gut gleich bei dem ersten, oberen Foto (Dennis Stock: James Dean): Der Protagonist hebt sich in seiner dunklen Kleidung sehr vom Boden als auch vom Hintergrund ab. Diese Bereiche wurden abgewedelt („abgehalten“). Ein weiterer Lokalkontrast ist bei der Person selbst sichtbar: Die Zigarette. Hier erscheint Weiß unmittelbar neben (fast) Schwarz. Lesen Sie in diesem Zusammenhang auch meinen Artikel: Von der Malerei lernen, in welchem ich auch bestimmte Merkmale eines Bildes eingehe bzw. darauf, wie man dies im Fotolabor bei den eigenen S/W-Fotografien umsetzen kann.
Vielen S/W-Fotografien bekommen solche direkten Kontraste sehr zu Gute. Auf der Internetseite sieht man ja sehr schön, wie hier die bearbeitete (ausgearbeitete) Version der Fotografie gegenüber der bloßen Positivkopie des Negativs wirkt.