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Kuriosum: Kamera mit integriertem Messer (Exakta Varex)

Thomasletzte Änderung: Feb 2025 4 Kommentare

Die Exakta Varex besitzt eine Besonderheit: Im Innern dieser Analogkamera befindet sich ein kleines Messerchen, mittels dem man intern den Film zerschneiden kann. Wozu soll so etwas gut sein?

Kamera Exakta Varex vor weißem Hintergrund

Die Kamera »Exakta Varex«

Im Bereich analoger Kameras gibt es einige Kuriositäten, die einen staunen lassen – z. B. „um-die-Ecke-fotografier-Objektive“, Kameras mit Solarzelle, Stative für Weinflaschen, »Blitzbeutel« oder auch den Autoknips.

In diesem Beitrag stelle ich eine weitere Besonderheit vor – die Exakta Varex bzw. vielmehr ihr integriertes Filmschneidemesser:

geöffnete Rückwand einer Kamera mit eingelegtem Film und Markierungen zur Veranschaulichung eines Schneide-Mechanismus

Rechts oben sieht man das kleine Messer: Dreht man den unteren Knauf auf, kann man ihn herausziehen. Daraufhin setzt sich das Schneidwerkzeug in Gang:

Analogkamera mit offener Rückklappe bei eingelegtem Film und Messer, das den Film schneidet.

Der Film wird hierdurch im Innern der Kamera genau hinter der Filmpatrone durchtrennt.

Detailaufnahme eines kleinen Messers in einer Analogkamera
Eine Detailaufnahme des kleinen Messerchens. So etwas hatte ich vorher noch bei keiner anderen Kamera gesehen.

Da fragt man sich natürlich, was der Sinn dahinter ist. Es geht hierbei darum, einen nur zum Teil belichteten Film zu trennen, um das bereits belichtete Stück aus der Kamera nehmen zu können. Dieses kann entwickelt werden und die Patrone (bzw. der unbelichtete Teil des Films darin) kann einfach weiter genutzt werden.

Man muss dabei bedenken, dass diese Kamera aus den 1950er Jahren stammt. Die Vorgängerin der Exakta Varex war die »Kine Exakta«, die noch älter ist, und ebenfalls bereits das kleine Filmschneidemesser besaß. Der Kleinbildfilm war zu dieser Zeit teuer und man fotografierte entsprechend sparsam. Vermutlich war diese Kamera auch für Pressefotografen und für die technische Fotografie gedacht, wo man zeitnah (nach wenigen Aufnahmen) entwickeln wollte.

Es war sicherlich nicht unüblich, dass man einen Teil des Films vom bisher unbelichteten trennte, um ihn zu entwickeln. Das mache ich mitunter auch, wenn ich schnell an wichtige Aufnahmen gelangen möchte, der Kleinbildfilm (mit seinen 36 Bildern) aber nur z. B. zur Hälfte belichtet ist.

Filmwechselsack halb geöffnet mit Kamera und Entwicklungsdose halb heraus schauend

Das abgeschnittene Filmstück muss normalerweise in der Dunkelkammer entnommen werden – oder in einem solchen Filmwechselsack.

Bei der Exakta geht dies aber auch im Hellen, wie weiter unten gleich gezeigt.

Normalerweise öffnet man in absoluter Dunkelheit oder im Wechselsack die Kamera und schneidet den Film halt kurz hinter der Patrone durch. Wenn sich das Messerchen bereits in der Kamera befindet, geht’s eleganter.

Allerdings müsste man die Kamera auch hier danach in der Dunkelkammer öffnen, um den teilbelichteten Film entnehmen zu können. Der Schnitt sitzt hier halt genau hinter der Patrone und man verschenkt etwas weniger Film, als wenn man mit der Schere schneidet.

silberne Oberseite mit Bedienelementen einer analogen Kamera
Die Exakta Varex ist eine sehr schöne, völlig mechanische Kamera und ihre direkte Vorgängerin gilt als die erste einäugige Spiegelreflex-Kleinbildkamera auf dem Markt (1930er Jahre).

Das Messer bei dem Modell, welches mir vorlag, war allerdings recht stumpf. Bei geschlossener Rückwand (bzw. bei angedrücktem Film) hatte ich Probleme mit dem Schneiden. Ich denke, es wäre hierbei auch wichtig, dass man die Kamera innen regelmäßig mit einem Pinsel säubert, wenn man das Filmschneidemesser nutzt. Sonst hat man winzige Filmpartikel auf den Bildern oder gar im Verschluss.

Die »Exakta Varex« bietet – wie angekündigt – noch eine weitere Überraschung:

Analogkamera mit Filmpatrone und weiterer Patrone zum Aufwickeln

Man kann bei dieser Kamera die Aufwickelspule entnehmen und durch eine andere Kleinbildpatrone ersetzen. Dieser Kniff ist mir zunächst gar nicht aufgefallen und ich bin erst durch den Kommentar einer Leserin darauf gekommen.

Man hat hier also die Möglichkeit, beim Filmeinlegen eine weitere, lichtdichte Aufwickel-Patrone zu verwenden, in welcher der dann belichtete Film geschützt verschwindet. Unterwegs benötigt man also weder Schere noch Wechselsack für das Austauschen eines teilbelichteten Filmes.

Als Aufwickelpatrone eignet sich eine andere Kleinbildpatrone, bei welcher noch ein kleines Stückchen Film heraus schaut. Beide Enden kann man mit dünnem Klebeband verbinden.

Zumindest die alten OrWo-Filme befanden sich jedoch in wiederverwendbaren Patronen, welche man ohne Werkzeug öffnen- bzw. neu befüllen konnte: Man konnte sie oben einfach aufschrauben und den neuen Film auf der Spule darin einhaken. Hierfür war dieses Zwei-Patronen-System sicherlich gedacht.

Genial einfach!

… aber wohl nicht im Sinne der Filmindustrie, wodurch diese Erfindung auf dem westlichen Markt sicherlich nicht relevant war. Für die Amateurfotografie wäre dies auch etwas zu frickelig. Mir ist jedenfalls keine andere Kamera bekannt, bei welcher es so etwas gibt.


Es gibt bei der hier gezeigten Kamera übrigens noch ein weiteres Kuriosum: Das abgebildete Objektiv (s. o) ist ein Schaufensterobjektiv: Es trägt die Seriennummer 0000000: Es besitzt lediglich die Frontlinse und keine Blendenlamellen.

Vermutlich wurden solche Objektive für Auslagen oder Ausstellungen genutzt. Aber die einzige Linse erzeugt einen Brennpunkt. Die damit gemachten Bilder sehen dann jedoch aus wie die von meinem selbst gebauten Objektiv.

veröffentlicht: 30.01.25 | letzte Änderung: 1.02.25

der Autor dieser Seite

Hallo – Hier schreibt Thomas. Ich beschäftige mich seit über 20 Jahren mit der analogen Lichtbildkunst und ich stehe entweder in der Dunkelkammer oder digitalisiere meine Filme am Computer. Analoge-Fotografie.net ist ein ›Ein-Mann-Betrieb‹. Daher kann es manchmal etwas dauern, bis ich Kommentare beantworte.

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4 Kommentare

Kuriosum: Kamera mit integriertem Messer (Exakta Varex)

F
Frau Müller 31.1.2025

Hallo Thomas,

Du schreibst: „Da fragt man sich natürlich, was der Sinn dahinter ist. Es geht hierbei darum, einen nur zum Teil belichteten Film zu trennen, um das bereits belichtete Stück im Dunkeln aus der Kamera nehmen zu können.“

Laß‘ Dich von einem alten Weib aufklären:

Hier irrst Du junger Freund!

Man muß bei der Varex beileibe nicht den Film im Dunkeln aus der Kamera nehmen.

Die Ingenieure der Arbeiter und Bauern hatten hin und wieder richtig helle Momente. Bei der von Dir besprochenen Exakta kann man den Film von einer Dose in die andere Spulen.

Du kannst die (blaue) Aufwickelspule herausnehmen und durch eine Filmdose (die Ossis nannten das Aufwickelspule*) ersetzen. Wenn Du jetzt den (teilbelichteten) Film abschneidest, dann ist er, wenn Du ein wenig an der Kurbel drehst, in der Dose und Du kannst ihn herausnehmen ohne daß er Schaden nimmt. Genial und recht einzigartig.

Woher ich das weiß? ich habe eine Varex IIb hier im Schrank liegen. Erbstück aus der Familie, viel benutzt und auch im Westen damals recht teuer.

Gruß

die Müllerin

* nachzulesen bei Werner Wurst – er schrieb unzählige Bücher zur Exakta. Ganz nebenbei: die Wälzer sind richtig gut. Weit mehr als platte Produktwerbung à la real existierender Sozialismus. Eine regelrechte Anleitung zur Fotografie. Viele Seite geballtes Wissen und tolle Fotos.

T
Thomas 31.1.2025

Also das ist ja genial. Da wäre ich nie drauf gekommen. Vielen Dank für den Hinweis! Ich werde das morgen gleich ergänzen.

G
Günter Heindrichs 31.1.2025

Hallo Thomas.
Vielen Dank für den Beitrag. Eine solche Kamera hatte ich auch mal in der Sammlung, in einem Anfall geistiger Umnachtung habe ich sie aber auch wieder verkauft. Das mit dem Messer hatte ich auch mal ausprobiert. Funktionierte sehr zuverlässig, vielleicht hatte mein Vorgänger diese Funktion nie genutzt., so das dass Messer noch relativ scharf war. Davon abgesehen ist es eine sehr schöne Kamera, schade das sowas nicht mehr hergestellt wird. Der Objektiv-Dummie ist ein Schmankerl bei Deiner Kamera, sowas sieht man eher selten. Also schön behalten und sich daran erfreuen.
Schönen Gruß von Günter

T
Thomas 31.1.2025

Hallo Günter, danke für den Kommentar. Die Kamera ist eine Leihgabe. Aber der Besitzer weiß sie bzw. auch das außergewöhnliche Objektiv zu schätzen.

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