Kuriosum: Kamera mit integriertem Messer (Exakta Varex)
Die Exakta Varex besitzt eine Besonderheit: Im Innern dieser Analogkamera befindet sich ein kleines Messerchen, mittels dem man intern den Film zerschneiden kann. Wozu soll so etwas gut sein?

Die Kamera »Exakta Varex«
Im Bereich analoger Kameras gibt es einige Kuriositäten, die einen staunen lassen – z. B. „um-die-Ecke-fotografier-Objektive“, Kameras mit Solarzelle, Stative für Weinflaschen, »Blitzbeutel« oder auch den Autoknips.
In diesem Beitrag stelle ich eine weitere Besonderheit vor – die Exakta Varex bzw. vielmehr ihr integriertes Filmschneidemesser:
Rechts oben sieht man das kleine Messer: Dreht man den unteren Knauf auf, kann man ihn herausziehen. Daraufhin setzt sich das Schneidwerkzeug in Gang:
Der Film wird hierdurch im Innern der Kamera genau hinter der Filmpatrone durchtrennt.
Da fragt man sich natürlich, was der Sinn dahinter ist. Es geht hierbei darum, einen nur zum Teil belichteten Film zu trennen, um das bereits belichtete Stück aus der Kamera nehmen zu können. Dieses kann entwickelt werden und die Patrone (bzw. der unbelichtete Teil des Films darin) kann einfach weiter genutzt werden.
Man muss dabei bedenken, dass diese Kamera aus den 1950er Jahren stammt. Die Vorgängerin der Exakta Varex war die »Kine Exakta«, die noch älter ist, und ebenfalls bereits das kleine Filmschneidemesser besaß. Der Kleinbildfilm war zu dieser Zeit teuer und man fotografierte entsprechend sparsam. Vermutlich war diese Kamera auch für Pressefotografen und für die technische Fotografie gedacht, wo man zeitnah (nach wenigen Aufnahmen) entwickeln wollte.
Es war sicherlich nicht unüblich, dass man einen Teil des Films vom bisher unbelichteten trennte, um ihn zu entwickeln. Das mache ich mitunter auch, wenn ich schnell an wichtige Aufnahmen gelangen möchte, der Kleinbildfilm (mit seinen 36 Bildern) aber nur z. B. zur Hälfte belichtet ist.
Das abgeschnittene Filmstück muss normalerweise in der Dunkelkammer entnommen werden – oder in einem solchen Filmwechselsack.
Bei der Exakta geht dies aber auch im Hellen, wie weiter unten gleich gezeigt.
Normalerweise öffnet man in absoluter Dunkelheit oder im Wechselsack die Kamera und schneidet den Film halt kurz hinter der Patrone durch. Wenn sich das Messerchen bereits in der Kamera befindet, geht’s eleganter.
Allerdings müsste man die Kamera auch hier danach in der Dunkelkammer öffnen, um den teilbelichteten Film entnehmen zu können. Der Schnitt sitzt hier halt genau hinter der Patrone und man verschenkt etwas weniger Film, als wenn man mit der Schere schneidet.
Das Messer bei dem Modell, welches mir vorlag, war allerdings recht stumpf. Bei geschlossener Rückwand (bzw. bei angedrücktem Film) hatte ich Probleme mit dem Schneiden. Ich denke, es wäre hierbei auch wichtig, dass man die Kamera innen regelmäßig mit einem Pinsel säubert, wenn man das Filmschneidemesser nutzt. Sonst hat man winzige Filmpartikel auf den Bildern oder gar im Verschluss.
Die »Exakta Varex« bietet – wie angekündigt – noch eine weitere Überraschung:
Man kann bei dieser Kamera die Aufwickelspule entnehmen und durch eine andere Kleinbildpatrone ersetzen. Dieser Kniff ist mir zunächst gar nicht aufgefallen und ich bin erst durch den Kommentar einer Leserin darauf gekommen.
Man hat hier also die Möglichkeit, beim Filmeinlegen eine weitere, lichtdichte Aufwickel-Patrone zu verwenden, in welcher der dann belichtete Film geschützt verschwindet. Unterwegs benötigt man also weder Schere noch Wechselsack für das Austauschen eines teilbelichteten Filmes.
Als Aufwickelpatrone eignet sich eine andere Kleinbildpatrone, bei welcher noch ein kleines Stückchen Film heraus schaut. Beide Enden kann man mit dünnem Klebeband verbinden.
Zumindest die alten OrWo-Filme befanden sich jedoch in wiederverwendbaren Patronen, welche man ohne Werkzeug öffnen- bzw. neu befüllen konnte: Man konnte sie oben einfach aufschrauben und den neuen Film auf der Spule darin einhaken. Hierfür war dieses Zwei-Patronen-System sicherlich gedacht.
Genial einfach!
… aber wohl nicht im Sinne der Filmindustrie, wodurch diese Erfindung auf dem westlichen Markt sicherlich nicht relevant war. Für die Amateurfotografie wäre dies auch etwas zu frickelig. Mir ist jedenfalls keine andere Kamera bekannt, bei welcher es so etwas gibt.
Es gibt bei der hier gezeigten Kamera übrigens noch ein weiteres Kuriosum: Das abgebildete Objektiv (s. o) ist ein Schaufensterobjektiv: Es trägt die Seriennummer 0000000: Es besitzt lediglich die Frontlinse und keine Blendenlamellen.
Vermutlich wurden solche Objektive für Auslagen oder Ausstellungen genutzt. Aber die einzige Linse erzeugt einen Brennpunkt. Die damit gemachten Bilder sehen dann jedoch aus wie die von meinem selbst gebauten Objektiv.
Hallo Thomas,
Du schreibst: „Da fragt man sich natürlich, was der Sinn dahinter ist. Es geht hierbei darum, einen nur zum Teil belichteten Film zu trennen, um das bereits belichtete Stück im Dunkeln aus der Kamera nehmen zu können.“
Laß‘ Dich von einem alten Weib aufklären:
Hier irrst Du junger Freund!
Man muß bei der Varex beileibe nicht den Film im Dunkeln aus der Kamera nehmen.
Die Ingenieure der Arbeiter und Bauern hatten hin und wieder richtig helle Momente. Bei der von Dir besprochenen Exakta kann man den Film von einer Dose in die andere Spulen.
Du kannst die (blaue) Aufwickelspule herausnehmen und durch eine Filmdose (die Ossis nannten das Aufwickelspule*) ersetzen. Wenn Du jetzt den (teilbelichteten) Film abschneidest, dann ist er, wenn Du ein wenig an der Kurbel drehst, in der Dose und Du kannst ihn herausnehmen ohne daß er Schaden nimmt. Genial und recht einzigartig.
Woher ich das weiß? ich habe eine Varex IIb hier im Schrank liegen. Erbstück aus der Familie, viel benutzt und auch im Westen damals recht teuer.
Gruß
die Müllerin
* nachzulesen bei Werner Wurst – er schrieb unzählige Bücher zur Exakta. Ganz nebenbei: die Wälzer sind richtig gut. Weit mehr als platte Produktwerbung à la real existierender Sozialismus. Eine regelrechte Anleitung zur Fotografie. Viele Seite geballtes Wissen und tolle Fotos.
Also das ist ja genial. Da wäre ich nie drauf gekommen. Vielen Dank für den Hinweis! Ich werde das morgen gleich ergänzen.